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Kommentar Jahrestag OktoberrevolutionRussische Restauration

Kommentar von Barbara Oertl

90 Jahre Oktoberrevolution - Russland präsentiert sich mit Putin in alter Stärke. Der verehrte Staatschef muss vor dem Western keine Angst haben, vor seinen Wählern auch nicht.

Zum 90. Jahrestag der "Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" präsentiert sich Russland fast wieder in alter Macht und Stärke. Zwar gibt es jene martialischen Aufmärsche nicht mehr, bei denen die glorreiche Sowjetarmee unter den mehr oder weniger wachsamen Blicken der alternden Kremlriege über den Roten Platz in Moskau und an der letzten Ruhestätte des einbalsamierten Übervaters Wladimir Iljitsch Lenin defilierte.

Die braucht es heutzutage, sieben Jahre nach dem Machtantritt von Wladimir Putin, aber auch nicht mehr, um nationale Einigkeit zu demonstrieren. Denn das Volk steht auch so einträchtig hinter Putin. Der autokratische Nochpräsident steht für alles, was viele Russen unter Putins Vorgänger Boris Jelzin so schmerzlich vermissten: Ordnung, Stabilität und ein starkes Russland, das endlich wieder im Konzert der Mächtigen dieser Welt mitspielt.

Wie sehr die Russen ihren Staatschef verehren, wird sich in knapp einem Monat bei den Parlamentswahlen zeigen. Schon jetzt gilt als ausgemacht, dass die Partei "Vereinigtes Russland" ein Traumergebnis erzielen wird und ihr Spitzenkandidat Putin dann als Regierungschef seinem Volk für mindestens vier weitere Jahre erhalten bleibt.

Muss der Westen Angst vor Russland und dessen Wiedergeburt als Supermacht haben? So unklar die Antwort auf diese Frage noch ist, auf die umgekehrte Frage lässt sich jetzt schon feststellen: Vor dem Westen muss Putin keine Angst haben.

Ob als Mitglied des Europarats oder der OSZE: Bislang hat Moskau noch allen Demokratisierungsappellen des Westens erfolgreich widerstanden. Warum sollte es sich von solch folgenloser Rhetorik auch beeindrucken lassen? Die Wirtschaftsbeziehungen florieren, Rubel und Euro rollen. Wen interessiert da noch der Respekt vor rechtsstaatlichen Prinzipien, wenn die Rede von der "demokratischen Wertegemeinschaft" so hohl klingt.

Auf der einen Seite ein wiedererstarktes und selbstbewusstes Russland, auf der anderen die westlichen Staaten, die sich ständig vorführen lassen und auf dem besten Weg sind, ihre Glaubwürdigkeit zu verspielen - da kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Herr Putin!

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