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Kommentar IslandDrohender Kollaps

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Großbritannien und die Niederlande pressen Island mit überzogenen Zinsforderungen aus wie eine Zitrone. Das Land wird sich auf Jahre hinaus nicht davon erholen.

E infach widerstandslos akzeptieren würde man das hierzulande vermutlich nicht, wenn sich die deutsche Regierung bereit erklärte, eine Summe, die mehr als das Zweifache des Finanzmarktstabilisierungsfonds beträgt, an einen anderen Staat zu zahlen. Zudem, wenn es darum ginge, dass die Summe die Schulden einer deutschen Privatbank sind, die diese bei ausländischen Anlegern hinterlassen hat, die mit Hochzinskonten schnelles Geld machen wollten.

Bild: taz

ist Skandinavien-Korrespondent der taz.

1.100 Milliarden Euro ist auf Deutschland umgerechnet die Summe, die London und Den Haag den isländischen Steuerzahlern aufdrücken wollen. Juristisch mag das in Ordnung gehen. Auch wenn man es für angebracht hielt, dafür zu Erpressungsmethoden zu greifen. Doch vermutlich ist es keine Übertreibung, wenn Experten nun davor warnen, dass die Folge dieser Last ein endgültiger Kollaps für die sowieso schon angezählte isländische Wirtschaft sein könnte. Eine schnelle Erholung, so viel ist sicher, wird mit einer solchen Bürde auf Jahre hinaus unmöglich gemacht.

Reykjavik war über die isländische Bankenaufsicht formal dafür verantwortlich, was die Auslandstöchter seiner windigen Kreditinstitute in Großbritannien und den Niederlanden trieben. Doch muss man nicht auch den Finanzaufsichtsbehörden dieser Länder den Vorwurf machen, tief geschlafen zu haben? London und Den Haag aber ist es nicht einmal moralische Verpflichtung, die Lasten aus dem Finanzkollaps für Island in erträglichen Grenzen zu halten. Im Gegenteil soll das Land mit überzogenen Zinsen wie eine Zitrone ausgepresst werden.

Auch alle EU-Länder unterstützen zumindest nach außen hin diese kompromisslose Haltung gegenüber Reykjavik. Doch wem soll damit gedient sein, wenn Island demnächst in einem politischen und gesellschaftlichen Chaos versinkt?

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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