Kommentar Islamkonferenz: Friedrich hilft den Fundamentalisten
Solange Politiker nicht auf die Vertreter der deutschen Muslime in der Islamkonferenz zugehen, spielen sie den Salafisten in die Hände, die sich als Alternative aufspielen.
S chon vor der diesjährigen Islamkonferenz gab es mal wieder Streit. Sollte man dort nicht auch über die Salafisten sprechen, die derzeit auf deutschen Straßen mit Gratis-Koranen für ihre Sache werben?
Auf den ersten Blick spricht nichts dagegen. Denn die Salafisten sind ja nicht nur eine Herausforderung für den Staat – sondern auch für die etablierten Islamverbände, weil sie ihnen die Deutungshoheit über ihre Religion streitig machen. Und mag die salafistische Sekte, um die jetzt so viel Wirbel gemacht wird, auch marginal sein: Im Internet ist sie sehr präsent – und es gelingt ihr allzu oft, orientierungslose Jugendliche zu ködern. All das böte den Muslimverbänden Grund genug zum Schulterschluss mit dem Innenminister.
Der Grund, warum die meisten Teilnehmer der Islamkonferenz dennoch nicht mit Hans-Peter Friedrich über Salafisten reden wollen, hat mit seiner Person zu tun. Denn der Minister widmet sich dieser Institution, die er von seinen Amtsvorgängern geerbt hat, so lustlos und desinteressiert wie einer lästigen Pflichtübung. Hinzu kommt, dass er am liebsten jene Probleme anspricht, die er an Muslimen festmacht, seien es Zwangsehen oder islamischer Extremismus. Die Probleme der Muslime selbst, ihre Sorgen und Nöte in dieser Gesellschaft interessieren Friedrich offenbar nicht.
Dabei gibt es eine Menge dazu zu sagen. Die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist ein Problem, unter dem viele Menschen mit türkischen oder arabisch klingenden Namen leiden. Und die Bedrohung durch Islamhasser und Rechtsradikale ist ein Thema, das vielen auf den Nägeln brennt. Doch um solche Fragen macht Innenminister Friedrich einen weiten Bogen. Es verspricht einfach keine Wählerstimmen.
Das beste Rezept gegen islamistische Sekten wie die Salafisten sind geschulte Imame, die in Deutschland zu Hause sind und die fundamentalistischen Lockrufen etwas entgegensetzen können. Und eine Politik, die Muslimen auf Augenhöhe begegnet, statt sie, wie Volker Kauder, durch dumme „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“-Parolen verbal auszugrenzen.
Es wäre deshalb an der Zeit, dass Politiker wie Friedrich auf die Vertreter des deutschen Islams, die sich in der Islamkonferenz versammelt haben, endlich zugehen. Ansonsten spielen sie nur deren Konkurrenten, die sich auf der Straße als strenggläubige Alternative aufspielen, in die Hände.
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