Islamkonferenz gegen häusliche Gewalt: Eine routinierte Institution
Auf der Islamkonferenz wird eine Erklärung gegen Zwangsehen und für das Recht auf körperliche sowie seelische Unversehrtheit verabschiedet. Innenminster Friedrich lobt die Einigkeit.
BERLIN dpa/taz | Das Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ bildete bei dieser Islamkonferenz (DIK) einen Schwerpunkt. Dazu wurde eine Erklärung verabschiedet, die sich gegen häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung ausspricht.
Jeder habe ein Recht auf „körperliche und seelische Unversehrtheit sowie das Recht, aus eigenem Entschluss und im Rahmen der geltenden Gesetze eine Ehe einzugehen oder dies zu unterlassen“, heißt es darin. Leider würden „diese universellen Menschenrechte auch heute noch häufig missachtet“.
Es sei „das erste Mal“, das sich muslimische Verbände auf eine solche Erklärung geeinigt hätten, sagte Hans-Peter Friedrich (CSU) anschließend auf seiner Pressekonferenz. Allerdings, schränkte der Innenminister ein, hätten Zwangsverheiratung und häusliche Gewalt nichts mit der Religion, sondern viel mit traditionalistischen, patriarchalischen Strukturen zu tun.
Warum sich die Islamkonferenz dann überhaupt zu dem Thema äußern musste, wenn es doch so wenig mit dem Islam zu tun hat, ließ Friedrich dabei offen. Jenseits dessen zeigt diese Erklärung aber, dass die Islamkonferenz längst eine Institution ist, die allen aktuellen Aufgeregtheiten zum Trotz routiniert arbeitet – und das auf vielen Feldern.
Leitfaden gegen Vorurteile
So gab es in diesem Jahr am Tag zuvor eine Fachtagung, bei der es um die Diskriminierung von Muslimen auf dem Arbeitsmarkt ging. Auch dazu wurde eine eigene Publikation erarbeitet – eine Art Leitfaden, um Vorurteilen entgegenzuwirken und Arbeitgeber zu sensibilisieren, wie Friedrich erklärte.
Zudem wurde eine neue Studie über das Gemeindeleben in Deutschland präsentiert, die mit manchem Vorurteil aufräumt. Moscheegemeinden spielen eine wichtige Rolle bei der Integration, weil sie Deutschkurse und andere Aktivitäten anbieten, heißt es darin. Außerdem seien die meisten muslimischen Geistlichen in Deutschland offen für Diskussionen über den Islam und hätten ein großes Interesse an Fortbildungsangeboten – vor allem, um besser Deutsch zu lernen.
Denn die meisten Imame stammen aus dem Ausland und sprechen deshalb meist deutlich schlechter Deutsch als die Gläubigen, zu denen sie predigen. Insgesamt gibt es der Studie zufolge in Deutschland 2.350 Moscheegemeinden und alevitische Cem-Häuser. Fast überall ist dort auch ein Imam oder ein alevitischer Dede tätig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!