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Kommentar Irans Opposition vor GerichtTeheraner Schauprozesse

Kommentar von Bahman Nirumand

Die Verfahren werden wohl mit der Hinrichtung von einigen Männern, die einst selbst Funktionäre der Islamischen Republik waren, enden. Doch das wird deren Untergang nicht aufhalten.

A lles erinnert an die Moskauer Schauprozesse: die niedergeschlagenen, erniedrigten und von Folter gezeichneten Gefangenen, die erzwungenen Geständnisse und die Verschwörungstheorien, die von den Machthabern aufgetischt werden. Dass das Regime sich gezwungen sieht, solche Mittel anzuwenden, dass es Demonstranten auf offener Straße erschießen oder in den Gefängnissen durch Folter ermorden lässt, zeigt, wie tief Angst und Unsicherheit den Machthabern im Nacken sitzen. Und das ist nicht unbegründet.

Es ist schon erstaunlich, wie rasch ein Regime, das sich noch bis vor wenigen Wochen fest im Sattel glaubte, derartig in Bedrängnis gerät, dass es nicht nur seine über Jahrzehnte gepredigten Prinzipien über Bord wirft, inzwischen gelten selbst islamische Rituale und Gebräuche, mit denen man die Massen zu verführen und an das Regime zu binden versuchte, als verboten. Am Samstag wurden tausende Menschen in Teheran, die eine Trauerfeier für die getöteten Demonstranten veranstalten wollten, mit Knüppeln und Maschinengewehren von der Teilnahme abgehalten. Wer heute im Iran "Allah o Akbar" (Gott ist mächtig) ruft, gilt schon als verdächtig. Die Teilnehmer am Freitagsgebet werden durch Ordnungskräfte scharf kontrolliert, Verdächtige abgewiesen. Auch der Zugang zu den Moscheen steht unter strenger Aufsicht. "Wenn das so weitergeht, wird bald keiner mehr in die Moschee kommen", warnte einer der geistlichen Instanzen.

Doch wie kann ein islamisches Regime ohne die Grundsätze und Rituale der Religion weiterexistieren? Woraus will das Regime in Zukunft seine Legitimation beziehen? Die Schau, veranstaltet vom Teheraner Revolutionsgericht, wird möglicherweise mit der Hinrichtung von einigen Männern, die über Jahrzehnte die Islamische Republik gelenkt haben, enden. Doch auch diese weitere Schandtat wird den längst begonnen Untergang der Islamischen Republik nicht aufhalten.

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4 Kommentare

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  • H
    Harald

    Der Artikel ist sehr optimistisch. Wie kann der Autor so sicher annehmen, dass das Regime des Iran untergeht? Folter, Gefängnis und Hinrichtungen sind Maßnahmen, die den vom Regime gewünschten Erfolg herbei führen kann, nämlich die Beendigung der Proteste.

    China hatte auch mal ein Protest-Problem. Mit Gewalt wurde es gelöst. Das Regime dort ist heute noch an der Macht.

  • M
    Mariaka

    Wieso "Moskauer Schauprozesse"? Bleiben wir doch bei 'unseren' sogen. Freunden. Die USA bieten alles: Schauprozesse, Gefangene ohne Rechte, Folter, Geheimgefängnisse im In- und Ausland. Guantanamo ist nur das Synonym. Selbst Obamas Politik ändert nicht viel. Und an den Zuständen in Bagram ändert auch er nichts.

  • KD
    kenner der szene

    Lieber Herr nirumand,

    ich wünsche mir von Ihnen mehr Sachlichlichkeit und Lösungsalternativen. Sachlichkeit insofern, dass die LeserInnen mehr Informationen darüber bekommen, wie diese Geständnisse zur Stande kömmen und Lösungsalternativen, wohin sich der IRAN entwickeln könnte. Sie stellen die richtigen Fragen in Ihrem Artikel.

    Und eins mir ist es wichtig, die Möglichekiet immer die IR-Verhältnisse mit den US-Verhältnissen gleichzusetzen, sollte vermieden werden. Wenn Sie von Moskauer ..... sprechen, genau in diesem Augenblick fangen viele LeserInnen Äpfeln mit Birnen zu vergleichen. Viele Iraner wünschen sich "vom Herzen" sie hätten die US Bürgerrechte und die US Verfassung!

  • G
    gregor

    Warum in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah? Müssen das unbedingt die Moskauer Prozesse sein? Hat man denn die eigene Vergangenheit erledigt? Eigentlich schade, denn es gibt da solche Schatzbegriffe zu dem Thema, wie z.B. - Volksschädlingsverordnung, Heimtückeverordnung, gesundes Volksempfinden. Man soll also etwas mehr patriotisch sein und auf das gut bewährte Made in Germany greifen und sich nicht in die russische Weite verirren.