Kommentar Iranpolitik der USA: Dialog mit Feinden

Der Deal mit Teheran ist ein historischer Einschnitt. Die USA gehen ein großes Risiko ein. Egal. Die Politik der harten Linie ist vollends gescheitert.

Der eigentliche Dorn im Auge westlicher Politik ist Irans Rolle als antiwestliche Regionalmacht: iranische Revolutionsgarden. Bild: ap

Es ist ein historischer Moment, wenn am Montag das gerade fertig ausgehandelte Nuklearabkommen mit dem Iran in Kraft tritt. Der Deal, nach dem Teheran die Urananreicherung einschränkt und keine neuen Zentrifugen in Betrieb nimmt und im Gegenzug Zugang zu den Geldern aus Ölverkäufen erhält, ist Ergebnis einer Erfolgsgeschichte: Die Wirtschaftssanktionen gegen das Land haben funktioniert.

Umso irrsinniger ist es, dass inzwischen 59 US-SenatorInnen, darunter 16 aus der Demokratischen Partei, ernsthaft über eine Verschärfung der Sanktionen nachdenken. Die Gründe dafür sind ausschließlich innenpolitisch. Israel lehnt den Deal ab, die einflussreiche Israel-Lobby in den USA auch. Wenn das Abkommen gute Resultate bringt, heimst Obama ohnehin die Lorbeeren dafür ein. Wenn es scheitert, kann man sagen, man war dagegen. Es ist ein Segen, dass Obama eine mögliche Gesetzesinitiative, sollte sie eine Mehrheit bekommen, per Veto stoppen kann.

Obamas Kurs ist riskant. Jetzt, sechs Jahre nach seinem Amtsantritt, setzt er außenpolitisch um, was er 2008 im Wahlkampf versprochen hatte: mit den Feinden reden, den Dialog suchen, der Diplomatie eine Chance geben. Das ist konstruktiv und lösungsorientiert. Der Unterschied zur harten Linie ist: Ein Scheitern ist sofort zu sehen. Beispiel Kuba: Die Embargopolitik der USA scheitert dort seit einem halben Jahrhundert – hinterfragt wird sie dennoch nicht. Es kostet politisch niemanden in den USA etwas, einfach so weiterzumachen. Jede Änderung hingegen birgt politische Risiken. Insofern kann man Obama gar nicht genug dafür loben, dass er – wie die anderen an den Iranverhandlungen beteiligten Regierungen – den Schritt jetzt wagt.

Allerdings: Die Mutmaßungen über Irans Ambitionen zum Bau einer Atombombe waren letztlich immer nur ein Vehikel. Der eigentliche Dorn im Auge westlicher Politik ist Irans Rolle als antiwestliche Regionalmacht, alliiert mit Russland und Syriens Assad-Regime, das auch nach dem Abschluss des Nukleardeals Ende November weiterhin Tonnen von Waffen aus Teheran erhalten hat. Nicht umsonst ist die Frage der Teilnahme des Iran an der bevorstehenden Syrienkonferenz einer der am unversöhnlichsten diskutierten internationalen Streitpunkte.

Was wäre denn die Alternative?

Gegner des Atomdeals argumentieren, so wie der Westen Syriens Präsidenten Baschar al-Assad mit der Einigung über die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen diplomatisch aufgewertet habe, würde jetzt auch das iranische Regime in seinen regionalen Ambitionen nur bestärkt und zudem intern gefestigt. Vermutlich stimmt das sogar. Nur: Was wäre denn die Alternative?

Seit 1979 haben die USA gegenüber Iran einen harten Konfrontationskurs gefahren, haben seinerzeit sogar Iraks Diktator Saddam Hussein in seinem Krieg gegen Iran massiv unterstützt. Im Ergebnis steht Teheran heute machtvoller da als je zuvor.

Der Versuch, Wandel durch Kooperation zu erreichen, hat sich historisch in ähnlich vielen Fällen als realistisch und erfolgversprechend oder als naiv und katastrophal erwiesen. Wer diesen Weg versucht, übernimmt viel Verantwortung. Viel zu lange bestimmte das Gegenteil, nämlich Verantwortungslosigkeit, die US-amerikanische Außenpolitik. Sie manifestiert sich auch heute noch in den Reihen des US-Senats.

Mit dem Inkrafttreten der Vereinbarung in der kommenden Woche ist der Prozess nicht beendet. Er fängt gerade erst an. Dabei sind Rückschläge wahrscheinlich. Russland könnte, wenn die Forderungen zu weit gehen, aus der 5+1-Allianz ausscheren. Die von Iran kontrollierte Hisbollah könnte durch Anschläge auf US-Einrichtungen Obama jeden innenpolitischen Rückhalt für Verhandlungen nehmen. Iran könnte sich weigern, die vereinbarten Schritte international überprüfen zu lassen. Wer aber aus Angst vor solchen Risiken den Versuch unterlassen will, der sagt auch einem Raucher, er möge das Rauchen bitte nicht aufgeben, weil er womöglich wieder anfangen könnte.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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