Kommentar Iranpolitik Netanjahus: Kontraproduktive Solidarität
Ob Netanjahus Appell zu freien Wahlen in Teheran der Sache dient, darf bezweifelt werden.
E s ist Zeit für weltweite Kundgebungen der Solidarität mit der Opposition im Iran, die so tapfer den Kopf hinhält für ein Leben in Freiheit. Zumindest im Westen dürfte ein Konsens über den Wunsch bestehen, dass die iranischen Demonstranten ihr Ziel bald erreichen und dass auf dem Weg dorthin kein Blut mehr fließt. Die Solidaritätsbekundungen sollten jedoch von unten kommen, von den Völkern, nicht von den Regierungen, und schon gar nicht von der Regierung Israels.
Susanne Knaul ist Israel-Korrespondentin der taz.
Natürlich hat Premierminister Benjamin Netanjahu Recht, wenn er das iranische Regime, in dessen Auftrag Polizisten auf Zivilisten einprügeln, sie verhaften, foltern und erschießen, kritisiert. Nur ob sein Appell zu freien Wahlen in Teheran der Sache dient, darf bezweifelt werden. Völlig zu Recht hielt sich Barack Obama lange zurück und vermeidet bis heute, eindeutig Partei zu beziehen. Die offene Sympathie vom Chef einer Regierung, die wiederholt mit einem Präventivschlag gegen den Iran gedroht hat, wenn dessen Atomforschungsprogramm nicht auf Eis gelegt wird, kann nur kontraproduktiv sein.
Illusorisch ist außerdem zu denken, dass mit einer Wende in Teheran die Atombedrohung automatisch beigelegt sei. Auch Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi würde das Forschungsprogramm vorantreiben, wenngleich unter veränderten Bedingungen. Den Demonstranten jedenfalls geht es erst einmal um ihre Wahlstimmen und Demokratie, nicht um das Atomforschungsprogramm.
Die iranische Opposition dürfte vom Gesprächsangebot Netanjahus vorläufig wenig beeindruckt sein. Seine Angriffe gegen das persische Regime aber sind Wasser auf die Mühlen ausgerechnet derer, die er bekämpft. Denn für das Regime steht fest, dass die Proteste eine Verschwörung des Feinds, der Zionisten, sind. Netanjahu kann Solidarität mit der Opposition empfinden, nur sollte er sie besser für sich behalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!