piwik no script img

Kommentar IranDas Regime unter Druck

Kommentar von Bahman Nirumand

Ohne Chameneis Anordnung wären die Wahlen niemals gefälscht worden, deshalb können sich die Reformer vom Wächterrat nichts erhoffen. Sie dürfen nur nicht klein beigeben.

Offensichtlich hat der iranische Revolutionsführer Ali Chamenei endlich den Ernst der Lage begriffen und versucht nun den Schaden einzugrenzen. Er hat den Herausforderer von Präsident Ahmadinedschad, Mir Hossein Mussawi, empfangen und ihn vermutlich darauf hingewiesen, dass eine Fortsetzung der Proteste das ganze System bedroht - zu dem natürlich auch Mussawi gehört. Und er hat ihn damit getröstet, dass er den Wächterrat angewiesen habe, eine Überprüfung der Wahlen vorzunehmen.

Damit versucht Chamenei die Verantwortung für die Wahl erst einmal dem Wächterrat und die für die Folgen der Proteste Mussawi zuzuschieben. Zudem möchte er offenbar Zeit gewinnen. Zehn Tage, die der Wächterrat für die Überprüfung benötigt, sind lang, und während dieser Zeit, hofft er, werde es gelingen, die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Doch jeder im Iran weiß, dass Chamenei das Wahldebakel zu verantworten hat. Ohne seine Anordnung wären die Wahlen niemals gefälscht worden. Man weiß auch, dass der Wächterrat, dessen meiste Mitglieder von ihm ernannt werden, ihm hörig ist. Würde der Rat bei der Überprüfung zu dem Ergebnis kommen, die Wahlen seien tatsächlich gefälscht worden, wäre Chamenei völlig diskreditiert. Denn er hatte voreilig die Wahlen als korrekt bezeichnet und Ahmadinedschad zu den 24 Millionen Stimmen - er nannte sogar die Zahl - gratuliert.

Der Wächterrat wird sich also hüten, ein abweichendes Votum abzugeben. Er wird höchstens zugeben, dass "Fehler und Unzulänglichkeiten" vorgekommen seien, die aber am Endergebnis nichts änderten. Das wird die Millionen, die sich zu Recht betrogen fühlen und ihre Stimme zurückfordern, nicht zufriedenstellen.

Ob aber die Unruhen fortgesetzt werden oder sich gar ausweiten, hängt zu einem nicht geringen Teil von Mussawi und den Führern der Gegenfront wie Chatami und Rafsandschani ab.

Sollten sie sich, wie so oft, von Chamenei und den militärischen Führern, die die wichtigste Macht im Land bilden, einschüchtern lassen und klein beigeben, könnte dies eine tragische Enttäuschung für jene zur Folge haben, die Mussawi gewählt haben.

Aber auch das Regime käme nicht ungeschoren davon. Ein Staat, der so offensichtlich das Votum von Millionen seiner Bürger ignoriert, gehört über kurz oder lang in den Mülleimer der Geschichte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • KD
    kenner der szene

    @ Waldzauberin,

     

    ja es stimmt, Herr Moussavi war ein aktiver Entscheidungsträger und -vollstrecker unter Khomeini. Nichts desto trotz, es steht die Sache nun im Vordergrund und nicht die Person Moussavi. Die Menschen im Iran gehen auf die Strassen, sie trauen sich endlich was, nehmen persönlichen Risiken und Gefahren auf sich auf, und geben sich kämpferisch. Wir sind Zeugen von Unglaublichem, und dieses soll von allen gehört und geschätzt werden. Das wahre gesicht dieses System sind Diebe und Mörder wie Ahmadinejad, Menschen, die an den 12. Imam, der Weltuntergang und seinen Rückkehr und die Errichtung eines schiitischen islamischen Staates glauben.

    Es ist schluss damit nur auf das Ausland zu hoffen, es sind IRANER, die ihr Leben diese Tage auf dem Spiel setzen, damit sie sich von Tyrannei befreien können. Und Sie sitzen hier in schönem und sicherem Westen und anstaat zu verstehen, was zurzeit passiert, nämlich diese tage wird Geschichte geschrieben, greifen Sie Herrn Nirumand an! Herr Nirumand hat nie die Hoffnung aufgegeben und hat seit mehr als 3 jahrzehnten sich für die Sache eingesetzt, mit persönlichen Opfern. Ich teile nicht immer seine Meinung, dennoch, jemand der so zielgeichtet eine Sache nachgeht, er verdient unser respekt aller.

  • W
    WalDZaubarin

    Kurze Anmerkungen: 1. Die Bush-Regierung hat alles unternommen, Iran zu destabilisieren. Das war erklärte Absicht. Unruhen schüren zwischen Volksgruppen und entsprechende Aktivitäten von sogen. Exil-Iranern waren Teil dabei. Außerdem das Einschleusen kleiner Trupps von Soldaten in den Iran.

    Wer sagt, dass das in der aktuellen Situation keine Rolle spielt? Der CIA hat genügend Erfahrung. Und Obama würde sich nicht nur da in die Kontinuität mit Bush stellen.

    2. Mich erinnert das, was zur Zeit im Iran passiert, doch sehr an entsprechende Vorgänge z.B. in der Ukraine. Damals war die Farbe orange, im Iran ist sie grün. Die Vorgehensweise ist ähnlich. In der Ukraine sprachen Medienberichte davon, dass in den vorderen Reihen der Organisatoren der 'orangenen Revolution' sehr amerikanisch aussehende Personen wären. In Georgien das gleiche.

     

    Ist es wirklich von der Hand zu weisen, dass wir hier ein großes, evtl. durch die USA inszeniertes Schauspiel sehen, um im Iran Änderungen herbeizuführen?

     

    P.S.: ich möchte Ahmadinedschad übrigens in keinster Weise verteidigen oder gar positiv bewerten!Und natürlich kann auch alles so sein, wie es uns die westlichen Medien und Politiker sagen.

    Aber erstaunlich, wie gut die informiert sind. In einem Interview im Deutschlandfunk heute morgen wußte der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose bereits, dass Ahmadinedschad bei der Wahl "...nur Dritter..." geworden sei.

     

    Ach ja, ein Leserbrief zum taz-Artikel von Herrn Nirumand 'Die Mogel-Mullahs' vom 14.06. hat mich auf einen seiner früheren Artikel aufmerksam gemacht. "Aktuell weiß Nirumand über Herrn Mussawi nur positives zu berichten. Noch am 18.3. dieses Jahres..." schrieb Nirumand in einem Artikel in der taz mit der Überschrift: 'Der Mini-Chomeini' u. a. „Kurz nach dem Beginn des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) übernahm er als Ministerpräsident die Regierungsführung bis August 1989. Danach wurde das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft, und die damit verbundenen Befugnisse wurden auf den Staatspräsidenten übertragen. In seine Amtszeit fielen Massenhinrichtungen und eine harte Repressionswelle“. ('Der Mini-Chomeini' eingeben bei Google)

     

    Schöne Zukunftsaussichten für den Iran.Aber vielleicht fließt dann ja das Öl leichter Richtung Westen.

     

    Ich bin gespannt, welche Art von Wahrheit wir erfahren. Den Menschen in Iran wünsche ich jedenfalls viel Glück.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Was mich irritiert, von der Tagesschau, die behauptet das ganze iranische Volk hätte gegen Ahmadinedschad gestimmt, bis zur taz (BAHMAN NIRUMAND), die zumindest Ähnliches impliziert, woher die Quellen.

    Vor kurzem wurde auf ntv behauptet, Amazon hätte eine höhere Wertschätzung als Aldi, Lidl und Co in Deutschland !!

    Basis der Behauptung war eine Auswertung einer mini online Umfrage.

  • GM
    gerd müller

    Man weis ja wie Wahlbetrug verläuft: Die Herrschenden kleben auf ihrem Sessel und lassen die Opposition gegen Wände laufen. Selbst wenn Wahlbetrug entlarft wird, wird das Gegenteil behaupted. Warten wir ab was sich im Iran entwickelt.