Kommentar Irak: Déjà-vu aus üblen Zeiten
Kaum sind die US-Truppen abgezogen, schon rummst es: Nun steht wieder der alte schiitisch-sunnitisch-kurdische Konflikt im Zentrum der irakischen Politik.
K aum war das Sternenbanner im Irak eingeholt, da brachen im Irak die alten Gräben des Bürgerkriegs zwischen Schiiten und Sunniten wieder auf.
Den Anfang machte der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki, als er verkündete, den sunnitischen Vizepräsidenten Tarik al-Haschemi verhaften zu wollen. Und während die Iraker noch hofften, dass es sich dabei nur um einen Machtkampf in ihrer Politikerkaste handelte, erreichte der Konflikt auch schon die Straße.
Denn kurz nachdem al-Haschemi aus Bagdad geflohen war, wurde die irakische Hauptstadt am Donnerstag gleich durch 12 Bomben erschüttert. Bagdad erlebt ein Déjà-vu aus den übelsten Zeiten des Bürgerkrieges.
ist Nahost-Korrespondent der taz.
Der schiitische Ministerpräsident al-Maliki versucht mit al-Haschemi seine sunnitische Konkurrenz auszuschalten. Der soll in Bürgerkriegszeiten Morde an seinen politischen Gegner in Auftrag gegeben haben. Aber auch die schiitischen Politiker haben keine saubere Weste. Und in den letzten neun Jahren wurden auch keine Institutionen geschaffen, die eine Aufarbeitung der Vergangenheit garantieren könnten.
Das alte schiitisch-sunnitisch-kurdische Konfliktdreieck steht wieder im Zentrum der irakischen Politik. Der sunnitische Vize-Präsident flieht vor dem schiitischen Premier in die kurdischen Gebiete, womit den Kurden, die ihre eigenen Interessen im irakischen Machtgerangel haben, wieder einmal die Vermittlerrolle zukommt.
Hintergrund für das Schlamassel ist auch eine instabile regionale Lage. Iraks Sunniten fürchten, dass der Iran das Vakuum ausfüllt. Iraks Schiiten dagegen blicken mit Sorge auf das andere Nachbarregime. Fällt das Regime in Damaskus, hätte das wohl eine Stärkung der religiösen sunnitischen Strömung in Syrien zu Folge, wovon die Sunniten im Irak profitieren würden.
Trotz vollmundiger Verkündigungen: Die USA haben weder einen national geeinten noch einen demokratischen Irak hinterlassen.
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