Kommentar Internetsperrung: Kinderporno als Einfallstor
Von der Leyens will Kinderpornografie mit Seitensperrung bekämpfen. Das kann nur symbolische Wirkung haben - hat aber die praktische Folge, Türöffner für Zensur im Netz zu sein.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Erst wird Stillschweigen vereinbart, und dann wird es ganz schnell gehen. Noch in diesem Frühjahr soll eine Infrastruktur zur Blockade verbotener Internetseiten aufgebaut werden. Über die Details verhandeln derzeit Familienministerin von der Leyen und die sieben größten deutschen Internetprovider. Ein Gesetz soll noch vor der Wahl im September beschlossen werden.
Die Gespräche drehen sich derzeit ausschließlich um Kinderpornografie. Doch wenn die Infrastruktur steht und die Verfahren eingespielt sind, wird bald auch die Sperrung von links- und rechtsextremistischen Seiten geplant werden oder die von hierzulande verbotenen Glücksspielen oder von Angeboten zum unerlaubten Download von Musik oder … Letztlich wird das Argument immer dasselbe sein: Was verboten ist, muss auch blockiert werden, sonst seien Verbote ja sinnlos.
Vermutlich wird kaum jemand die Blockade von Seiten ablehnen, bei denen etwa die Vergewaltigung von Kleinkindern gezeigt wird. Nutzt von der Leyen also diese Diskussion als Einfallstor, um die Zensur des Internets hoffähig zu machen? Die Antwort ist vermutlich banaler: Da der Kampf gegen Kinderpornografie ein Konsensthema ist, kann sie hier vor der Wahl noch Pluspunkte sammeln.
Allerdings hinkt von der Leyens Argument, die Zugangserschwernis könne das kommerzielle "Massengeschäft" mit Kinderpornografie zerstören. Das Geschäft mit strafbaren Inhalten lebt schließlich nicht von Kunden, die zufällig auf solche Seiten stoßen, sondern von Süchtigen, die dem Angebot auch in zugangsgeschützte und teure Winkel, etwa in sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke, folgen werden.
Von der Leyens Initiative wird im Kampf gegen Kinderpornografie also nur symbolische Wirkung haben. Praktische Folgen hat die Zensur eher für politische Inhalte, weil diese möglichst viele Menschen erreichen sollen und nicht nur zahlende Aficionados. Provider und Gesetzgeber sollten jetzt deshalb nicht einfach unter Zeitdruck und überstürzt ein Internetzensursystem einführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anklage gegen Linke Maja T. erhoben
Ungarn droht mit jahrelanger Haft
Grünen-Pläne zur Krankenversicherung
Ohne Schutzschild aus der Deckung
Merz will Straftätern Pass entziehen
Heimat ist bedingungslos
Erneuerbare Energien
Die bizarre Aversion der AfD
Polizeigewalt beim AfD-Parteitag
Unverhältnismäßig und unnötig
Streit um Bezeichnung
Gericht verbietet Aldi Süd Verkauf seiner Dubai-Schokolade