Kommentar Internetsperren: Widerstand war zweckvoll
Die Kritiker haben mit ihrem Protest immerhin erreicht, dass zahlreiche Schlupflöcher in dem umstrittenen Gesetz für Internetsperren geschlossen wurden.
D ie Kritiker haben mehr erreicht, als zu erwarten war. Am Donnerstag wurden im Bundestag die umstrittenen Internetsperren für Kinderporno-Seiten beschlossen. Nach dem vehementen Protest der letzten Wochen dürfte daraus aber kein allgemeines Zensurinstrument werden.
Internetsperren können in der jetzt beschlossenen Form kaum für andere Zwecke missbraucht werden. Ein unabhängiges Kontrollgremium wird einschreiten, wenn das BKA andere Inhalte als Kinderpornografie auf die Sperrliste setzt. Betroffene Webseiten-Betreiber werden klagen, wenn legale Angebote gesperrt und interessierte Surfer auf eine Stoppseite umgeleitet werden. Außerdem enthält das jetzt beschlossene Gesetz ein ausdrückliches Verbot, die Sperrtechnik für zivilrechtliche Ansprüche, etwa von Musik- und Filmindustrie, einzusetzen. Dank der massiven Kritik wurden also viele Schlupflöcher gestopft.
Natürlich kann das Gesetz in einigen Jahren verschärft werden. Aber ist das wahrscheinlich? In Skandinavien gibt es seit längerem Kinderporno-Sperrlisten, die nicht auf andere Themen ausgeweitet wurden. Es gibt also keinen Automatismus. Der Damm ist auch in Deutschland nicht gebrochen. Er wurde nur an einer anderen Stelle neu aufgebaut. Ein Dammbruch sollte deshalb nicht herbeigeredet werden.
Die letzten Wochen haben vielmehr gezeigt, dass die Einführung von Internetsperren kein Thema für leichte populistische Siege ist - nicht einmal wenn es gegen Kinderpornografie geht. Ein lehrreiches Exempel. Der Widerstand dürfte noch viel breiter ausfallen, sollte versucht werden, verbotene Politseiten oder illegale Musiktauschbörsen zu sperren.
Dagegen muss in drei Jahren entschieden werden, ob das Sperrgesetz überhaupt weitergelten soll. Wenn es nichts gebracht hat, sollte es einfach wieder gestrichen werden.
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