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Kommentar Innenminister FriedrichDer arge Wüterich

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Der Antikommunismus des Innenministers ist nicht nur verstaubt, sondern abwegiger als je zuvor. Die Herstellung von Öffentlichkeit ist für ihn ein Fall für den Staatsanwalt.

H ans-Peter Friedrich zuhören heißt sich von Mitleid und Verzweiflung beuteln lassen. Immerhin hat der Mann nie gesagt, dass er den Posten unbedingt haben wolle. Aber dann stürzte Guttenberg, de Maizière rückte auf den Verteidigungsministerstuhl, und ein Bundesinnenminister aus Franken musste her.

Und nun soll Friedrich, der eher aus der wirtschaftsliberalen Modernisiererfraktion der CSU kommt, ausgerechnet die knarzige Tradition der CSU-Innenminister fortsetzen, die vielen in der Union wohl auf immer das Herz erwärmt. Das konnte nicht gut gehen.

Die Linkspartei gehöre verfassungsdienstlich beobachtet, sagt Friedrich. Denn da laufen Leute herum, die Kuba mögen, von einem marxistischen Staat träumen und sich nicht ausreichend von der DDR distanzieren.

Bild: taz
Ulrike Winkelmann

ist Inlands-Redakteurin der taz.

Das Motiv der ausreichenden Distanzierung hat er vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig übernommen. Dieses urteilte 2010, dass sich die Linken-Führungskräfte die Überwachung selbst eingebrockt hätten. Schließlich kämpften sie nicht genug gegen solche Parteielemente, die allenfalls noch mit den Zehenspitzen den Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erreichten.

Spontan fällt einem da die Frage ein, wer in der CSU sich eigentlich schon ausreichend von all den Schlesiern distanziert hat, die mit beiden Füßen noch in den deutschen Grenzen von 1937 stehen. Unabhängig davon jedoch verrät schon Friedrichs Hilflosigkeit im Umgang mit linken Denkmustern, dass er noch tiefer im 20. Jahrhundert stecken geblieben ist als die vermeintlichen DDR-Anhänger in der Linkspartei.

Nun scheint er - offenbar auf Geheiß von oben - bereit zu sein, sich immerhin über die Freiheit des Abgeordnetenmandats noch einmal einen Gedanken zu machen. Doch garniert er dieses Zugeständnis mit indirekten Drohungen: Es sei ein "strafrechtlich relevanter Vorgang", wie die aktuellen konkreten Informationen über die Bespitzelung der Linksfraktion an die Öffentlichkeit gelangt seien. Merke: Der Minister nimmt schon Rücksicht auf die öffentliche Empörung, aber die Herstellung von Öffentlichkeit scheint ihm ein Fall für den Staatsanwalt zu sein.

Immerhin dies aber ist der Ertrag der Debatte über den Naziterror: Die Restbestände des Antikommunismus, sie wirken mittlerweile nicht mehr nur verstaubt, sondern in ihrer Behördengläubigkeit auch abwegiger als je zuvor.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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8 Kommentare

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  • DB
    Dieter, Basel

    Es ist schon unglaublich, was diese CSU-Landesgruppe im Bundestag mit ihrem unsäglichen BM Friedrich betreffend Neonazi-Aktivitäten noch alles bietet. Im Jahr 1980, als beim Oktoberfest in München über 10 Menschen durch einen Neonazi (Gundolf Köhler) ermordet wurden, war die erste Stellungnahme durch den Vorsitzenden FJS (Strauss): "Ein Einzeltäter," nur keine Bange, und "der Feind steht links!" Es stellte sich dann heraus, dass das Bürschchen Köhler bei der Wehrsportgruppe Hoffmann gewesen war. Dass dieser unselige Geist in der heutigen CSU noch immer vorherrscht, wundert mich gar nicht, er ist aber durchaus ein Grund dafür, dass diese geschichts-uneinsichtige und komplett unfähige Landespartei jetzt halt auch in der Regierung des Freistaates bald der SPD Platz machen muss.

  • A
    andreas

    Seit wann sind Schlesier eine Partei die im Bundestag sitzen ?

     

    Die LINKE ist nun mal die zum x-ten Mal umgewidmete SED der Mauerschützen und Kampfgruppen.

     

    Antikommunismus...ja BITTE !

    Antifaschismus...sowieso !

     

    Aber Frau Winkelmann(geboren im kuscheligen Wiesbaden) ist nunmal nicht in einer Diktatur aufgewachsen, sie weiß es nicht besser!

    Schade!

  • F
    Firlefanz

    Der Mann sollte sich wegsperren. Er leidet unter Paranoia!Er sollte die DDR- Akten von Merkel mal durchforsten lassen;oder die Akten von Kohl, in Sachen: Beziehungen zur ehemaligen DDR. Wer sich selbst alles zutraut, traut anderen nicht über den Weg!

  • RD
    Rainbow Dash

    @alcibiades: Moment.. wenn das stimmt, und die Cdu tatsächlich aus lauter verkappten Bronies besteht, Warum ist ihre politik dann so wenig "Love & Tolerate" ?

     

    Mind=Blown!

  • N
    noevil

    Der Kommentar war zutreffend - besonders die darin enthaltene Frage nach der Haltung der CSU zur schlesischen Landsmannschaft, die nachvollziehbar ausserhalb von Bayern Kopfschütteln und in Bayern bei den vielen Andersdenkenden alljährlich betretenes Schweigen hervorruft.

     

    Das wäre auch mal ein Thema für die TAZ. Schließlich muss man sich das jedes Jahr aufs Neue bieten lassen.

     

    Und wenn das einzig Positive über einen Innenminister ist, dass er sich nicht um diesen Posten gerissen hat, dann erscheint mir das schon mehr als dürftig. Um sich seine Haltung klarer vor Augen zu führen, wäre ihm zu raten, er möge sich nur einmal ein Auge zupflastern und sich dann hinters Steuer seines Autos setzen. Spätestens da sollte ihm klar werden, dass das nicht geht, weil kein tiefenscharfes abstandsrealisierendes Sehen mehr möglich ist.

     

    Wenn man also nicht das rechte und das linke Auge offen hat, sondern auf dem rechten Auge blind ist, dann sollte man auch nicht Autofahren, ganz zu schweigen davon, Fahrlehrer sein zu wollen.

  • H
    hto

    Es wird Zeit die "Treuhänder" der "Demokratie" durch Kreuzchen auf dem Blankoscheck an Lügendetektore anzuschließen, wenn sie irgendeine Plattform für ihre Statements nutzen wollen.

  • A
    alcibiades

    Einmal, sagt Hans-Peter Friedrich, habe er einen Bundesparteitag der CDU unterbrochen. Er zeigte eine Folge von "My little Pony" - eine US-amerikanische Fernsehserie für kleine Mädchen, in der rosa Pferde über ernste Themen wie Freundschaft diskutieren. Seine Kollegen fanden das klug.

  • C
    Celsus

    Da wies Herr Friedrich darauf hin, dass es seiner Auffassung nach eine Straftat sei, wenn da aus den Reihen des Verfassungsschutzes heraus eine Information über die Beobachtung durch den Verfassungsschutz herausgegeben worden sei.

     

    Allerdings gibt es von der Verschwiegendheitsverpflichtung in § 37 Abs. 2 Satz 2 Beamenstatusgesetz eine Ausnahme: Wenn die Tätigkeit der Behörde gegen die freiheitilch demokratische Grundordnung gerichtet ist.

     

    Zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gehört dabei nach einer Entscheidung des Budnesverfassugnsgerichtes allerdings auch die Gewaltenteilung (BVerfGE 2,1,12). Wenn der Verfassungsschutz Abgeordnete überwacht und sogar einen, der im Kontrollgremium sitzt, ist diese Gewaltenteilung missachtet. Ebenso, wenn es den Dienstherrn die gesetzlichen Grundlagen nicht kümmern, wenn ohne jeden Verdacht verfassungsfeindlicher Gesinnung gerade Menschen in hervorgehobener Position und mit Reformideen überwachen lässt. Das ist dann ein Missbrauch zu parteipolitischen Zwecken und hat nichts mehr mit einer angeblichen verfassungsfeindlichen Gesinnung zu tun.