Kommentar Ilisu-Staudamm: Jetzt hängt es an uns
Die Weltbank ist ausgeschieden, die Briten auch: Doch das deutsche Wirtschaftsministerium hofft weiter auf Profit. Es sollte die Türkei stoppen, 11.000 Jahre Menschheitsgeschichte zu fluten.
Tarik Ahmia ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft
Der Ilisu-Staudamm ist zu einer Leiche im Keller der Türkei geworden. Seit sechzig Jahren will die Regierung in Ankara in der kurdisch geprägten Region mit aller Rücksichtslosigkeit einen Mega-Staudamm errichten - und scheitert dabei immer wieder an ihrer eigenen Arroganz und Unfähigkeit.
Es macht die Sache nicht einfacher, dass das Ilisu-Projekt über die Zeit zum Symbol eines potenten türkischen Nationalstolzes aufgeladen wurde. Aber selbst die stolzesten Türken können sich nicht einfach über 11.000 Jahre Menschheitsgeschichte mit einzigartigen archäologischen Artefakten hinwegsetzen und diese im Tigris versenken. Ebenso wenig wie sich mal eben 60.000 Menschen aus ihren Heimatdörfern verjagen lassen. Das haben mittlerweile auch viele internationale Geldgeber begriffen, die die Türkei für ihr rabiates Vorhaben einspannen wollte: Die Weltbank ist aus dem Projekt ausgestiegen, ebenso die Briten. Die brachialen Vorstellungen der türkischen Behörden waren mit internationalen Umwelt- und Sozialstandards schlicht unvereinbar.
Bleiben die Deutschen. Sie sind nun gefordert, dieser Farce ein Ende zu setzen. Denn auch die deutschen Behörden werden seit Jahren von den türkischen Behörden vorgeführt - etwa, wenn wichtige Auflagen als erfüllt gemeldet, in Wahrheit aber gar nicht realisiert wurden.
Trotzdem übt das Wirtschaftsministerium beharrlich Druck aus und hält an dem Steinzeitprojekt fest. Doch auch eine so gravierende Wirtschaftskrise wie die jetzige kann kein Argument dafür sein, Exportgeschäfte um jeden Preis abzuwickeln. Das Tigris-Tal mit deutschem Geld und deutscher Technik zu versenken, würde nichts anderes bedeuten als: ein historisches Verbrechen am Weltkulturerbe in spe.
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