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Kommentar Hungerhilfe für SomaliaWie Somalia wirklich zu helfen ist

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Somalia ist ein Lebensmittelexporteur. Die Verelendung ist nicht mit Gratislieferungen aus dem Ausland zu stoppen, sondern die produktiven Kräfte müssen unterstützt werden.

I st es eine PR-Aktion oder der Start einer entschlossenen Hilfsoperation, wenn die UNO ein Flugzeug voller Spezialnahrung nach Somalia fliegt? Es gehört zu den Widersprüchen der gegenwärtigen Hungerkatastrophen am Horn von Afrika, dass beide Antworten richtig sind.

Natürlich gibt es in Somalia jede Menge Kinder im Endstadium der Unterernährung, für die jede Minute kostbar ist: Sie brauchen dringend die UN-Sondernahrung. Und natürlich ist es zugleich blanke PR, wenn das UN-Welternährungsprogramm WFP einen Frachtflug auf einen normalen, kommerziell genutzten Flughafen mit dem hochtrabenden Begriff "Luftbrücke" belegt - zumal die UNO ohnehin Somalias Luftraum überwacht und die Logistik der internationalen Somaliahilfe sowieso beim WFP liegt; womit sich die Frage aufdrängt, warum die angelieferte Spezialnahrung nicht längst vor Ort vorhanden ist und warum sie teuer aus Frankreich importiert wird, obwohl sie auch in Somalias Nachbarland Äthiopien hergestellt wird.

Somalia, das wird angesichts der täglichen Hungerbilder in internationalen Medien derzeit oft vergessen, ist eigentlich Lebensmittelexporteur. Über vier Millionen Stück Vieh wurden letztes Jahr aus Somalia in den arabischen Raum verkauft, und noch heute liefert der hungrige Süden Zucker und Reis in die Nachbarländer. Zugleich hat das Land seit Jahrzehnten eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt, weil die Landbevölkerung mangels Sicherheit und Investitionen kein Kapital und keine Reserven für magere Zeiten hat.

taz
DOMINIC JOHNSON

ist Co-Leiter des Auslandsressorts der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.

Wenn dürrebedingt das Zuchtvieh an Gewicht und Wert verliert und wenn so die Exporteinnahmen einbrechen, sinken die Erlöse der Hirten, während die Händler weniger Geld zum Lebensmittelimport zur Verfügung haben und das wenige, was sie doch importieren, auf den Märkten teurer verkaufen als sonst.

So setzt sich eine unheilvolle Spirale der Verelendung in Gang. Die lässt sich nicht durch massive Gratislieferungen von Nahrung aus dem Ausland umkehren - im Gegenteil. Ziel der internationalen Hungerhilfe muss sein, die produktiven Kräfte Somalias freizusetzen. Groß angelegte internationale Hilfsaktionen mit Flugzeugen und spektakulären Verteilungsaktionen hingegen führen in die Irre.

Die internationale Aufmerksamkeit konzentriert sich derzeit auf diejenigen unter den Hungernden, die als Flüchtlinge ihre Heimat verlassen haben und komplett auf Versorgung von außen angewiesen sind, in teils überfüllten Flüchtlingslagern in Äthiopien und Kenia oder mittellos in den Straßen der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Ihnen zu helfen ist eine Selbstverständlichkeit und eine erhebliche logistische Herausforderung.

Aber sie stellen kaum mehr als 5 Prozent der Gesamtzahl der von der Hungerkrise Betroffenen dar. Die anderen sind einfach normale Menschen, denen das Geld fehlt, sich zu den hohen Lebensmittelpreisen selbst zu versorgen. Wer diesen Menschen helfen will, sollte ihnen nicht erst zu essen geben, wenn sie in ein Lager ziehen, sondern ihnen schon vorher finanziell unter die Arme greifen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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12 Kommentare

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  • L
    Lela

    also dieses problem soweit ich weiß gibt es schon seit ungefähr 20 jahren. und ausgerechnet jetzt berichtet man so als ob dieses problem vor kurzem entstand. das letzte mal als sie sowas berichteten schickten sie die amis ins land um die lage zu "verbessern". und wieso diese shababn die nahrung verbieten ist ganz einfach, da die un verdorbene nahrung lieferte und daran menschen starben.dies berichtet aber keiner . wenn sie schon nahrung liefern dann bitte welche die nicht verdorben ist und so die menschen nicht an irgendwelchen lebensmittelvergiftungen sterben. und dann berichtetn sie die bösen shabab sind schuld. wer vergiftet denn die menschen mit abgelaufener nahrung? dieses shabab hätte bestimmt nichts dagegeb wenn die un dazu beitragen würde die situation zu verbessern aber nein die un will die menschen nicht selbstständig sehen sondern von ihnen abhängig.tja kriegspropaganda. der wolf im schafspelz.

  • I
    IchlernevonderVergangenheit

    Merkt ihr alle eigentlich nicht das die ganze schlechte Situation den Shabbab Miliz zugeschoben wird?

    Wenn man die Kommentare liest sieht man die Erfolge der Medien! Immer wieder das Selbe! Wie dumm menschen doch sind und immer wieder in das Selbe Loch hineinfallen!

    Dieser Artikel ist der einzige den ich bis jetzt gelesen habe ohne das es gleich politisch ist!

  • T
    tiger

    Sind ja nette Iden, die hier verbreitet werden. Und wie sollen sich die Somalis von den Milzen befreien, bitte? Iregndwelche Vorschläge dazu?

    Und eben dass jetzt die nötige Soforthilfe geleistet wird, führt dazu, dass die Hungernden in den Städten oder Lagern bleiben, in denen sie auch abhängig bleiben von fremder Hilfe, somit keinen Anreiz zur produktiven Selbsthilfe erhalten.

    Alles altbekannte Zusammenhänge.

    Was könnte also langfristig helfen? Militärisch flankierte Transporte der Menschen zurück aufs Land, wwie es manchen hiesigen Politikern genehm wäre???

    Oder doch diejenigen unterstützen, die sich bereits von Feindbildern befreien und effektiv helfen?

  • R
    Renegade

    Am meisten wäre den Somaliern geholfen, wenn sie sich von der Shabaab verabschieden und keinen Staat aufbauen, sondern ihre regierungslose Struktur ausbauen und dafür sorgen, sich alternativ wehrhaft zu gestalten.

     

    Seit es keine Regierung mehr gibt haben die Marktkräfte tatsächlich einiges getan, um den Lebensstandard zu verbessern. Wichtig wäre, ein sicheres Investitionsklima auf dem Land zu schaffen, sodass dort auch Kapitalakkumulation betrieben und die landwirtschaftliche Produktion ausgeweitet werden kann. Das Problem ist ja, dass vor allem die Nomaden schlecht akkumulieren können, stark auf die Landwirtschaft angewiesen sind und wahrscheinlich aus wandernde Bevölkerung am ehesten irgendwelchen Milizen zum Opfer fallen.

     

    So ist das, Michael Neumüller, und es freut mich, dass die taz hier objektiv und gut recherchiert berichtet.

     

    Weiterhin wäre es vielleicht auch nützlich, wenn die Europäer nicht so massiv in den somalischen Gewässern fischen würden.

     

    Und Soforthilfe ist ja immer schön und gut, aber wenns dann vorbei ist mit der ärgsten Not, schauen alle wieder weg und die Übergangs"regierung" tut so, als hätte sie was zu sagen, irgendwer bezahlt die Shabaab, irgendwer bezahlt die Armee und alle erschießen sich fröhlich, weil Kommandant sein lukrativer ist als irgendwas richtiges zu machen, solange irgendwer Geld gibt.

  • SG
    Sara garchin

    Der westen soll endlich aufhören afrikas bodenschätze zu rauben dann müsste die bevölkerung nicht verhungern

  • H
    Hasso

    Die einen verzocken und die ander'n verhungern. Weiß man jetzt, wo das Problem liegt? Bei den einen vermehrt sich das Geld,bei den anderen die Bevölkerung.

    Weiß man jetzt, wo das Problem liegt. Die Kirche trennt sich nicht von ihrem "Gold", ist aber auch gegen Verhütungsmittel und "die Wege des Herrn sind unergründlich" und die Gier ist riesengroß- nun weiß man, wo das Problem liegt.

  • M
    Martin

    "Ziel der internationalen Hungerhilfe muss sein, die produktiven Kräfte Somalias freizusetzen."

     

    Also Hilfe zur Selbsthilfe, Entwicklung freier Märkte, Frieden und Sicherheit. Alles Neoliberale Grundsätze. Sollte die Taz endlich einsehen das nicht Linkes Gutmenschtum und Zwangsbglückung von Menschen zum Ziel führt, sondern nur die freiwillige Leistung eines freien Menschen zum ziel führt.

  • W
    weltwärtsler

    Dennoch muss beachtet werden dass das Kind nunmal schon in den Brunnen gefallen ist.

    Natürlich sollte die Hunger- und Entwicklungshilfe in Zukunft verstärkt die Landwirtschaft und die damit verbundene Infrastruktur fördern und das nicht nur finanziell. Nur ist dies akut schlicht nicht zielführend, da in der Bekämpfung der bereits ausgebrochenen Katastrophe wenig effektiv. Die Leute in Somalia und dem Norden Kenias sind nunmal gerade eher mit ihrem überleben beschäftigt, weil es in ihren Ländern keine ausreichenden Vorräte mehr gibt.

    Im Gegensatz zu Tansania und Uganda, haben Kenia und Somalia seid Jahren keine gute Ernte eingefahren (Quelle: The East African). Wegen komplizierter Zollregelungen ist eine Verlagerung der Lebensmittel kurzfristig auch nicht denkbar, woher also Nahrung nehmen wenn nicht aus Europa? Das Problem zu lösen ist leider etwas komplizierter als dargestellt, dennoch kein schlechter Kommentar.

  • RD
    Richard Detzer

    Aufschlußreicher Kommentar.

     

    Bei der horrenden Verschuldung der "zivilisierten" Staaten ist das Unternehmen Hungerhilfe tatsächlich eine Luftbrücke. Wir können so signalisieren, daß zumindest ein Frachtflug die Verbindung zu der von uns geschaffenen Welt aufrecht hält. Wir sollten schnell eine Gedenkparty für die Hungernden in der Welt organisieren. Dann nehmen wir wieder Bezug zum Geschehen.

     

    Ein Irrtum könnte auch sein, einfach nur die finanzielle Verfügbarkeit in den Krisengebieten zu stärken. Das setzt im besten Fall eine Motivationskette in Gang, wie sie im Kapitalismus üblich ist.

     

    Das beste wird sein, sich einen Plasma TV zu kaufen. Dann schmeckt das Essen zuhause besser. Gleichzeitig zusehen wie sie in der Ferne hungern, sich draußen die Radikalen außerhalb unserer Gesetzmäßigkeit vergeblich sammeln. Man merkt, ist doch noch gut aufgehoben daheim.

     

    Das Mittelalter läßt schön grüßen. Was ist mit der Frühzeit?

  • JP
    Jochen Plambeck

    Kommentar: Wie Somalia wirklich zu helfen ist.

     

    Für das "vorher-unter-die-Arme-greifen" scheint ist es doch längst zu spät. Jetzt ist Soforthilfe vonnöten.

  • MN
    Michael Neunmüller

    Das ich das noch erleben darf: "Die produktiven Kräfte müssen unterstützt werden!" - Und das i9s in der taz!"!!

     

    WEITER SO!!

  • LW
    lukas Wagenmacher

    Am meisten wäre den Somaliern geholfen, wenn sie sich von ihrer radikalislamischen Miliz verabschieden würden und einen funktionalen staat aufbauten. Laut diesem und etlichen anderen Berichten handelt es sich ja hier um eine fruchtbare Region, die die Menschen dort auch ernähren könnte.