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Kommentar HinrichtungsgiftRespekt, Fresenius

Heike Haarhoff
Kommentar von Heike Haarhoff

Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi wird kein Propofol für Hinrichtungen in die USA liefern. Das verdient Respekt.

Kann beim Schlafen helfen (Michael Jackson) und/oder den Tod bringen: Propofol. Bild: reuters

D ie Gefängnisse in den USA werden es jetzt also ein bisschen schwerer haben, sich das Gift für ihre Todeskandidaten zu besorgen: Legal jedenfalls wird es den US-Strafvollzugsbehörden nicht mehr möglich sein, das Narkosemittel Propofol – hergestellt, um Menschen zu heilen – für Hinrichtungen zu missbrauchen. Zu verdanken ist dies Fresenius Kabi, einem deutschen Pharmahersteller, der seine unternehmerische Verantwortung ernst nimmt.

Die Entscheidung der Firma, allen US-Großhändlern umgehend zu kündigen, sollten diese die Gefängnisse vertragswidrig mit Propofol beliefern, verdient Respekt. Und sie zeigt zweierlei. Erstens: Unternehmen haben erkannt, dass drohender Imageschaden auf lange Sicht schwerer wiegt als kurzfristige Wirtschaftsinteressen.

Zweitens: Öffentlicher Druck lohnt sich doch. Ohne den Einsatz der Menschenrechtlerin Maya Foa von der NGO Reprieve hätte Fresenius Kabi ganz gewiss nicht – oder zumindest nicht so schnell und mit einem so deutlichen Signal – reagiert.

Bild: Wolfgang Borrs
Heike Haarhoff

ist gesundheitspolitische Redakteurin der taz.

Zugleich darf man die Hoffnungen nicht zu hoch hängen und die Illusion pflegen, dass im Kampf gegen die Todesstrafe dank des Propofol-Stopps nun ein großer Sieg errungen worden sei: Ein Staat, der wegen Mordes Verurteilte töten will, wird weiterhin töten. Mit oder ohne Propofol. Tötungsmittel finden sich immer. So zynisch es klingt: Im Zweifel reicht auch eine Überdosis Paracetamol.

Wer dies für Unrecht hält, wer in der Todesstrafe einen massiven Verstoß gegen die Menschenrechte sieht oder wenigstens, hallo, CDU!, gegen die Zehn Gebote, der darf allerdings die Verantwortung dafür, dass sich doch bitte etwas ändern möge, nicht allein der Wirtschaft zuschieben. Sondern der muss politisch handeln, der muss Menschenrechte immer und immer wieder zum Thema machen. Auch wenn viele es nicht mehr hören können oder wollen. Vollkommen egal.

Politischer Druck aber ist bislang kaum erkennbar. Angela Merkel etwa rief die Mongolei im vergangenen Jahr bei ihrem Staatsbesuch dazu auf, die Todesstrafe abzuschaffen. Auch mit Obama spricht die Kanzlerin selbstverständlich über viele wichtige Dinge. Darunter die Eurokrise, der Klimawandel oder die Entwicklungen in der arabischen Welt.

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Heike Haarhoff
Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort
Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
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13 Kommentare

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  • B
    BeeBee

    Für mich stellt sich nun die Frage: Wie wird zukünftig hingerichtet? Die Hinrichtungen werden wohl kaum abnehmen, "nur" weil eine mögliche Art der Durchführung nichtmehr gegeben ist. Das mag makaber klingen, aber solange Hinrichtungen stattfinden, sollten diese nicht schmerzfrei stattfinden?

     

    Das Problem für mich ist nicht zwingend "Wie hingerichtet wird" sondern "Dass hingerichtet wird" und ich glaube dass ein fehlendes Medikament dabei keine allzu große Rolle spielen wird, dass zukünftig nichtmehr hingerichtet wird, es sei denn, Propofol war die einzig noch bleibende Möglichkeit, es den entscheidenden Gesetzesschreibern noch Recht zu machen.

  • S
    susi

    Fresenius musste sich auf öffentlichen Druck und Angst vor einem unfreiwilligen Imageschaden vom Verkauf von Fresenius in die USA distantzieren. Da der finanzielle Anteil am Gesamtumsatz dieses Mittels beim Verkauf für die Hinrichtung nur einen ganz geringen Bruchteil ausmacht verglichen mit dem beabsichtigten Einsatz als Nakosmittel, fiel Fresenius dies nicht sehr schwer.

    Man könnte von einem Sturm im Wasserglas sprechen.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Als erklärter Gegen der Todesstrafe frage ich mich, wie liberale Europäer reagieren würden weigerte sich ein US-Konzern Medikamente für Abtreibungen zu liefern.

    Darf sich ein fremder Konzern in unser Rechtswesen einmischen? Dürfen wir dies in den USA?

     

    Zweite Frage: Wenn ein Michael Jackson das Zeug in Unmengen beziehen konnte (und Jackson hat es ständig genommen)- wie will der Vertrieb der Verkauf an Dritte unterbinden? Ein Händler verkauft drei Dosen weiter, das Gefängnis sichert die Verschwiegenheit zu. Das sieht mir sehr nach einem bitterbösen und absolut nicht witzigem PR-Gag aus. Und die taz spielt mit.

     

    Dritte Frage: Wird der Häftling mit einem weniger geeigneten Mittel mehr leiden, weil Propofol nicht zur Verfügung steht? Befürwortet die Autorin eine Überdosis Paracetamol? Hoffentlich nicht ernsthaft...

  • MM
    Max Maier

    Fresenius hat nur dem Druck stattgegeben. Zuerst war es dem Konzern völlig egal.

  • Y
    yberg

    mit der bekanntmachung,daß das medikament und gift bei hinrichtungen eingesetzt wird,muß fresenius um das unternehmen und das führungspersonal zu schützen,orbitante schadensersatzforderungen in folge der hinrichtung eines unschuldigen drohen,sich aus dem dreckigen geschäft verabschieden.

     

    des weiteren drohen der weltweit größten dialyse bude bei haftungsprozessen nicht nur in amerika gnadenlose abfuhren.

     

    da nimmt ne bude für sich in anspruch zu heilen,liefert aber auch todesmedikamente für hinrichtungen,angestellte machen fehler und die jury und richter sollen dem vortrag des unternehmens glauben schenken ,daß im mittelpunkt des unternehmens die erhaltung von gesundheit und leben sein soll

     

    ein schlachtfest nicht nur für die presse.

     

    ebenso sind racheakte von angehörigen bzw. poliakteueren zu befürchten bei weiteren hinrichtungen.

     

    ebenso werden die versicherungen des unternehmens von wegen risikoprofil gleich mal teurere prämien überhelfen und bestimmte risiken wie z.b. politische nicht mehr versichern.

     

    man stelle sich vor ein zoo betreibe auch gleichzeitig eine schlachterei.

     

    respekt für was?

     

    dass die schmierigen und verantwortungslosen vorstände und aufsichtsräte sich erst jetzt wachrütteln lassen,dass im riikobericht des unternehmens kein wort über das drecksgeschäft verloren wird.

     

    die verantwortlichen können sich jetzt nicht mehr auf nichtwissen berufen.

     

    hier gehts nicht um ethik sondern um mammon und hose voll

  • DB
    Der Bär

    Der Dank und Respekt scheint mir sehr voreilig.Wie wir wissen hatte der Leibarzt von Michael Jackson seinen Patienten über Jahre hinweg mit Propofol versorgt und dies in beachtlichen Mengen.Und dies soll für eine US-Behörde nicht möglich sein ? Dann bestellt eben das US-Gesundheitsministerium das Propofol und reicht es an den Strafvollzug weiter.Was dann ? Fresenius möchte wohl auf seine "guten Namen" achten,mehr nicht.Das Schicksal der Todeskandidaten in den USA dürfte ihnen Wurst sein.Reine Heuchelei das alles.

  • K
    kippenstummel

    Es ist schon eine Leistung die Respekt verdient sich nicht mehr an der professionellen Tötung von Menschen zu beteiligen. Ich habe auch noch nie dabei geholfen jemanden umzubringen geschweige denn daran verdient. Zollt man mir dafür Respekt? Nein. Keine Menschen töten sollte selbstverständlich sein. Nur weil es das nicht ist, kriegt Fresenius noch lange keinen Respekt.

  • BH
    bc hammer

    Todesstrafe in den USA ist Sache der einzelnen Bundesstaaten(17 US Bundesstaaten vollstrecken sie nicht mehr). Da es allenig Sachen der Staaten ist, kann Obama da gar nichts bestimmen, selbst wenn er wollte.

  • H
    Hades

    Vielen Dank für den Tip. Noch eine Nachfrage: Wie hoch ist eine sicher tödliche Dosis Paracetamol?

    Ist der Tod dann schmerzfrei?

  • T
    T.V.

    na ob das mehr ist als reine Imagepflege?

  • T
    TheOrbitter

    "...dass im Kampf gegen die Todesstrafe dank des..."

     

    Ich z.B. wüßte überhaupt nicht, warum ganz grundsätzlich gegen die Todesstrafe gekämpft werden muß. Sinnvoller- und ehrlicherweise geht das so oder so nur in einem Rechtsstaat, m.a.W. zu versuchen diesen Kampf bspw. in China auszufechten wäre vollkommen vergebens. Also beschränken wir uns - wie es der Artikel vormacht - auf die USA und definieren diese als Rechtsstaat. Dann sehe ich persönlich nicht ein, warum jemand, der wen anders vorsätzlich getötet hat, oder der ein Kind geschändet oder eine andere Person vergewaltigt hat nicht dafür mit dem Tod bestraft werden soll. Nach meinem Rechtsverständnis hat ein solcher Straftäter seine Menschenrechte verwirkt. Kann dann die Schuld zweifelsfrei bewiesen werden finde ich wie gesagt die Todesstrafe dann ganz und gar nicht unangemessen. Immer unter der Voraussetzung, daß - ich schreibe es nochmal - die Schuld des Angeklagten zweifelsfrei bewiesen werden kann.

     

    Und ehrlich, ob in den USA Propofol aus Deutschland verwendet wird oder nicht, oder Hinrichtungen durch Erschießen erfolgen, das juckt doch in den USA keinen.

  • M
    Ömel

    Der Verweis auf die zehn Gebote ist irreführend und auf mangelhafte Übersetzung zurück zu führen. Eigentlich heißt es eher "Du sollst nicht ungesetzlich töten." - schließlich ist sich der biblische Gott selbst nicht zu schade immer mal wieder zu Steinigungen aufzurufen oder Massenmord zu begehen.

  • N
    Nasevoll

    Um wieviel Liter Propofol geht es hier? 2 Liter oder doch gigantische 5 Liter?

     

    Eine preiswerte Imagekampagne.