Kommentar Hessische Koalition: Die saftige Rechnung der FDP
Bei den Koalitionsverhandlungen hat die FDP der CDU einiges abgerungen. Im Bund drohen Merkel nach der Wahl ähnliche Zugeständnisse.
D er Lack ist ein bisschen ab. Und ein paar Schrammen hat er auch abgekriegt. Doch ansonsten steht der eiserne Roland (Koch) jetzt schon im zehnten Regierungsjahr fest auf seinem – allerdings zu einem Drittel mit den Signalfarben Gelb und Blau angestrichenen – Ministerpräsidentenpodest.
Klaus-Peter Klingelschmitt (56) ist Korrespondent der taz für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Seine Schwerpunkte sind die Innenpolitik und Wirtschaft.
Wirklich wieder Koch also. Und wenn alte Freunde wie Koch und sein neuer Vize und Justizminister Jörg-Uwe Hahn nun eine ganze Legislaturperiode lang zusammenstehen, dann geht es wohl auch hinter dem Horizont noch weiter. Eine Schreckensvision für die am Boden zerstörte hessische SPD, die derzeit nicht einmal in der Lage ist, einen Kandidaten in das Rennen um den Oberbürgermeistersessel in Fulda zu schicken.
"Die 24 Stunden von Kloster Eberbach" hieß das Rennen zwischen CDU und FDP um den Koalitionsvertrag und um die Besetzung der – zum Teil neu strukturieren – Ressorts im Kabinett. Gewonnen hat es verdient die FDP. Nur der enorme Stimmenzuwachs der Liberalen bei der Neuwahl vor knapp zwei Wochen garantierte Koch das politische Überleben als Ministerpräsident. Dass die FDP der Union den Preis dafür bei den Koalitionsverhandlungen saftig in Rechung stellen würde, war schnell klar. Drei Minister- und gleich vier Staatssekretärsposten gehen an die Liberalen. Auch programmatisch konnte sich die FDP stellenweise mit kleinen Modernisierungen durchsetzen – und das ohne Widerstand.
FDP-Bundesparteichef Guido Westerwelle wird diese Koalitionsverhandlungen in Hessen aufmerksam und befriedigt verfolgt haben; und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiß jetzt, was im Herbst – bei entsprechenden Konstellationen der Parteien nach der Bundestagswahl – auf sie zukommt. Die "bürgerliche Mehrheit" muss von der Union mit politischen Substanzverlusten auf allen Ebenen teuer bezahlt werden – und zwar direkt in die Kasse der FDP.
Für Koch zählt nur eines: In ein paar Tagen ist er wieder ordentlicher Regierungschef. Vielleicht hat der Katholik aus Dankbarkeit in der Klosterkapelle ja schnell noch eine Kerze entzündet – für Andrea Ypsilanti. Verdient hätte sie sich die.
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