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Kommentar Hessens SPDOffenes Spiel, erhöhter Einsatz

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Inhaltlich ist am hessischen Koalitionsvertrag wenig auszusetzen. Doch was die Politikfähigkeit der SPD in Wiesbaden angeht, sind Zweifel angebracht.

R ot-Grün hat in Hessen ein sympathisches Regierungsprogramm erarbeitet. Man will entschlossen Ökoenergie fördern - und hat mit Hermann Scheer als Wirtschaftsminister und Tarek Al-Wazir als Umweltminister dafür glaubwürdiges, vorzeigbares Personal. In der Bildungspolitik strebt die Ypsilanti-Regierung die überfällige Wende an. Und bei den harten landespolitischen Konflikten steuert man einen moderat-vernünftigen Kurs. Rot-Grün wird in keinen aussichtslosen Kampf gegen den beschlossenen Ausbau des Frankfurter Flughafens ziehen, will aber ein Nachtflugverbot durchsetzen. Die Erweiterung des umstrittenen Flughafens bei Kassel ist abgesagt. Mag sein, dass sich die Grünen insgesamt eher durchgesetzt haben. Aber, bitte, was erwartet man denn von einer rot-grünen Reformregierung? Dass sie die Energiewende vertagt und eilfertig Provinzflughäfen ausbaut?

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Nein, inhaltlich ist an diesem Koalitionsvertrag wenig auszusetzen. Doch was die Politikfähigkeit der SPD in Wiesbaden angeht, sind Zweifel angebracht. Ypsilantis innerparteilicher Gegenspieler Jürgen Walter wird nicht Minister und rebelliert offen gegen den Kabinettszuschnitt. Er versichert Ypislanti zwar seiner Loyalität, doch die Gefahr, dass ein SPD-Rechter Walters Polemik schon richtig missversteht und die SPD-Chefin am 4. November scheitern lässt, liegt auf der Hand. Das wäre der größte anzunehmende Unfall für die SPD.

Für Ypsilanti heißt das: Sie hat in einem hoch riskanten Spiel mittendrin noch mal den Einsatz erhöht. Sie muss schlicht darauf vertrauen, dass SPD-Rechte und die Netzwerker auch ohne Walter treu zur Koalitionsvereinbarung stehen.

All das zeigt: Das Problem dieser Koalition ist nicht, wie viele meinten, die unzuverlässige Linkspartei. Der zentrale Kampflinie läuft durch die SPD selbst. Eine Weile schien es, als wäre die SPD zu einem Kompromiss mit sich selbst in der Lage und als würde die SPD-Rechte begreifen, dass sie sich schadet, wenn sie Rot-Rot-Grün versenkt.

Und jetzt? Das Spiel ist noch immer offen. Doch das Risiko für Ypsilanti, unterzugehen, ist mit Walters Ausstieg größer geworden, nicht kleiner. Das ist keine gute Nachricht für Wähler, die eine ökosoziale Wende wollen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

1 Kommentar

 / 
  • PS
    Peter Scholz

    Als Mitglied der hessischen GRÜNEN, die ja am nächsten Sonntag über die Koalitionsvereinbbarung entscheiden werden, ist mir gar nicht wohl.

     

    Die politische Dummheit, die Frau Ypsilanti in den vergangenen Wochen und Monaten offen gezeigt hat, ist schon beängstigend. Offensichtlich ist diese Politikerin völlig beratungsresistent, und das ist kein gutes Vorzeichen für eine Koalition mit einer solchen Ministerpräsidentin an der Spitze.

     

    Die Gefahr ist groß, dass die GRÜNEN von einer taumelnden SPD über kurz oder lang mit in den Abgrund gerissen werden. Der Schaden würde in einem solchen Fall über Jahre nachwirken, nicht nur in Hessen.

     

    Aber ich fürchte, die Vorstellung, jetzt endlich mitregieren zu können, wird solche Bedenken bei den GRÜNEN Mitgliedern in den Hintergrund treten lassen, sie werden dabei wohl dem Vorschlag der (leider personalidentischen) Partei- und Fraktionsführung folgen. Zumal die Alternativen - weiter so mit einer geschäftsführenden Regierung Koch, Jamaika mit weit weniger grünem Profil als mit der SPD, oder schlimmstenfalls eine große Koalition in Hessen - auch nicht grade attraktiv sind.

     

    Vielleicht sollten die GRÜNEN jetzt doch die staatspolitische Notbremse ziehen und Neuwahlen herbeiführen - auch wenn es dann vielleicht erst recht nicht zu rot-grün reicht.