piwik no script img

Kommentar Hauptschüler-PrämieTrostpflaster für Nieten

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Die Prämie sendet falsche Signale: Sie ist Gift für das oft ohnehin angeknackste Selbstbewusstsein von Hauptschülern, die so stigmatisiert werden.

E s ist sicher gut gemeint, wenn Niedersachsens Metallarbeitgeber zum Doppelabi-Jahrgang Hauptschüler fördern wollen. Aber eine Prämie für die Unternehmen setzt an der falschen Stelle an: Wer würde statt eines Abiturienten einen Hauptschüler nehmen, nur weil das 5.000 Euro einbringt?

Die Prämie sendet auch falsche Signale. Das an die Metallbetriebe lautet: Wenn ihr euch mit einem Bildungsverlierer abeselt, der eigentlich nicht ausbildungsfähig ist, lindern wir die damit verbundene Belastung mit einem Trostpflaster. Implizit ist das auch eine Botschaft an die Azubis: Wer Nieten wie euch nimmt, dem muss man Geld zahlen. Gift für das oft ohnehin angeknackste Selbstbewusstsein von Hauptschülern. Sie werden mit solch einer Prämie stigmatisiert.

Dabei muss sich die Wirtschaft daran gewöhnen, Nachwuchs zu rekrutieren, dessen Bewerbungen sie bislang fast ungelesen in die Rundablage rutschen ließ. Der doppelte Abitur-Jahrgang ist die letzte Zuckung eines Ausbildungsmarktes, in dem vor allem die Unternehmen die Wahl hatten. Die folgenden Jahrgänge werden so dünn sein, dass die Personaler die Bewerbungshäuflein dreimal durchflöhen werden.

Zukunftsweisender als die Prämie scheint deshalb die Initiative von Nordmetall: Die Arbeitgeber stecken ihr Geld in die Qualifizierung jener, denen für die Ausbildung Vorkenntnisse fehlen. Gut investiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!