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Kommentar Hartz IVBusiness as usual

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Klamotten für Kinder, die schnell ins Kraut schießen, müssen aus dem Regelsatz bezahlt werden. Das zeigt, wie realitätsfern die Hartz-IV-Vorgaben sind.

B ERLIN taz Hartz-IV-Empfänger haben keinen Anspruch auf zusätzliches Kleidergeld für ihre Kinder, so der Urteilsspruch des Bundessozialgerichts. Das Verdikt der Richter kommt, auch wenn manch einer anderes erhofft hatte, nicht überraschend. Es folgt der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Hartz IV.

Die Karlsruher Richter haben der Politik eben bis Ende des Jahres Zeit eingeräumt, die Regelleistungen für Kinder neu zu berechnen. Bis dahin gilt business as usual: Klamotten für Kinder, die schnell ins Kraut schießen, müssen aus dem Regelsatz bezahlt werden. Auch die Härtefallregelung greift nicht, denn jede Familie mit Nachwuchs ist mit diesem Problem konfrontiert. In der Logik des Hartz-Systems liegt also keine außergewöhnliche Belastung vor.

Das zeigt, wie realitätsfern die Hartz-IV-Vorgaben sind. Es ist eine Mahnung an die Politik, bessere Lösungen zu finden. Denn wer will schon ernsthaft behaupten, das neue Paar Schuhe oder Ersatz für den zu klein gewordenen Anorak ließen sich aus 21 Euro im Monat bestreiten, die für Kinder unter fünf Jahren für solche Posten vorgesehen sind?

Eva Völpel

ist Redakteurin bei taz-Inland.

Nicht zuletzt zeigt die lange Liste von Klagen in Sachen Hartz IV, die vor deutschen Gerichten anhängig ist, wie sehr bisher der Sparzwang, aber nicht die Würde der Menschen im Vordergrund standen. Das kann nur heißen: Die Regelsatzleistungen für Kinder müssen deutlich erhöht werden – oder man muss zurückfinden zum mittlerweile so verteufelten Mechanismus der alten Sozialhilfe, individueller und dann vor allem realistischer mit den jeweiligen Bedarfslagen der Menschen umzugehen.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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5 Kommentare

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  • M
    monika

    Diesen Staat einmotten.Weder Alte noch Junge können hier Leben.Werden wir wieder ein Staat der Ungerechtigkeit.Marx und Engels leben hoch.Dieser Staat nicht.Er läßt schon wieder Mütter weinen...siehe Afganistan

     

     

    Hallo Mail...........habt Ihr mich jetzt??????

  • A
    Amos

    Selbst das Bundessozialgericht ist schon asozial.

    Spielt bereits mit im Kapitalismus-Monopoly Spielt den Kassenwart der Versager-Politik. Wenn selbst schon das

    Urteil des BVG missachtet wird-, was zum Teufel,soll der Bürger hier dann überhaupt noch achten. Gilt diese

    Verfassung nur noch, wenn sie zur Kassenlage passt?

    Hätte man in der Politik seine Hausaufgaben anständig

    gemacht, brauchte man das BVG nicht ständig zur Hilfe zu rufen. Das dreiste an der ganzen Sache ist ja, dass

    diejenigen, die die Verfassung schufen, sie jetzt ständig missbrauchen.

  • UW
    U. Wambach

    Bei Hartz IV geht es letztlich nur darum,

    Menschen die der Arbeitsmarkt nicht braucht,

    billig zu entsorgen.

    Dafür sind diesem Staat keine Mittel zu

    schade. Menschen, die vor Jahren in Rente

    geschickt wurden, werden heute für arbeits-

    fähig erklärt. Überhöhte Mieten für Dreck-

    löcher werden bezahlt, Umzüge in Wohnungen,

    die von Vermietern in Ordnung gehalten werden,

    abgelehnt. Damit der 5-Jahresplan stimmt(sprich

    Arbeitslosenstatistik), werden für dubiose Bildungsmassnahmen Gelder verbraten. Psycho-

    terror über die Medien und Hofschranzen und Büchsenspanner des Kapitalismus.

    (Fördern und Fordern). Dazu Politiker doof wie Brot:

    An dieser Stelle erspare ich mir den Kraft-Ausdruck.

    Diese Republik hat mit Bonn nichts mehr zu tun:

    Im konkreten Handeln haben wir mehr Nazi-Gedankengut

    und mehr DDR als uns lieb sein kann.

    Und: Mehr Menschen, die sich nicht wehren.

  • K
    Karl

    Ich kann der Kritik nicht ganz zustimmen. In meiner Kinderzeit war das Geld bei uns zu Hause auch etwas knapp (obwohl wir durchaus um einiges vom Level eines Alg II Empfängers entfernt waren). Es gab aber einige weitere Familien im Bekanntenkreis mit etwas älteren Kindern. Und weil die Sachen oft nicht aufgetragen wurden, sind sie weitergegeben worden, ebenso, wie meine Kleidung weitergewandert ist, solange sie noch ordentlich war. Ich weiß, dass ich mich zu Anfang auch gegen die "alten Klamotten" gewehrt habe. Ich habe es dann aber zu akzeptieren gelernt - und festgestellt, dass an den Sachen kein Schild "Ich bin gebraucht" dranhing. Das einzige, woran nicht gespart wurde, waren Schuhe - vielleicht, weil das in der Generation meiner Eltern Mangelware gewesen ist und sie das mit ziemlichen Fehlstellungen büßen mußten.

    Meiner Meinung nach kann man es Eltern durchaus zumuten, auf diesem Weg den Bedarf zu decken. Gerade im Bekleidungsbereich gibt es mittlerweile einen üppigen Second-Hand-Markt, auf dem man sich preiswert eindecken und die eigenen gebrauchten Sachen wieder losschlagen kann. Nur wenn es im Einzelfall tatsächlich nicht möglich ist, auf diesem Weg an die benötigte Kleidung zu kommen, ist ein Zuschuss gerechtfertigt. Einen "Generalanspruch" auf solche Zuschüsse sehe ich aber nicht.

  • A
    anke

    Meine Güte! Gibt es tatsächlich noch immer Leute, die glauben, Hartz IV sei auf die Bedürfnisse der Arbeitslosen ausgerichtet und nicht an denen der sogenannten Wirtschaft?