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Kommentar Hartz IVDer Fluch der Vergangenheit

Kommentar von Gordon Repinski

Die SPD wird den Hartz-IV-Sätzen zustimmen müssen. Eine Blockade der Erhöhung wäre nicht zu vermitteln. Schließlich hat sie die Regeln selbst geschaffen.

R espekt, Union! Man kann ihre Begründung für die geringen Hartz-IV-Sätze zynisch finden - aber sie zieht. Die mickrigen Aufschläge von fünf Euro rechtfertigte die Union damit, Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten künftig nicht mehr staatlich subventionieren zu wollen.

Die SPD mit ihrer Forderung nach höheren Hartz-IV-Sätzen versucht sie nun damit in die Ecke zu drängen: Wollen die Sozis etwa den Alkoholismus fördern? Gegen diesen Vorwurf muss sich die Partei erst einmal wappnen. Das dürfte in den nächsten Monaten noch eines der kleineren Probleme der SPD sein. Doch es zeigt, dass die Partei in dieser Debatte nicht viel gewinnen kann.

Die SPD hat keine große Wahl - am Ende wird sie einem Kompromiss mit der Union zustimmen müssen. Würde sie sich verweigern, bliebe alles erst einmal, wie es ist. Und dann gäbe es für Millionen Betroffene überhaupt keine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze.

Bild: taz

Gordon Repinski ist Parlamentsredakteur der taz.

So bleibt ihr nur, in zähen Verhandlungen möglichst viele Korrekturen zu erreichen - das ist der einzige Spielraum, den sie hat. Es wäre schließlich niemandem zu vermitteln, wenn ausgerechnet die SPD eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze blockieren würde. Schließlich hat sie sich und diesem Land dieses Gesetz eingebrockt.

Genau das ist das Dilemma der SPD: Zwar lassen sich die sozialen Härten von Hartz-IV-Regelung nicht durch jene fünf Euro zusätzlich und Gutscheine verringern, welche die Regierung jetzt beschlossen hat. Geschaffen hat diese Regeln aber nicht die Union, sondern die rot-grüne Bundesregierung.

Da hilft es der SPD auch wenig, zu lamentieren, die Situation habe sich seither geändert und das Verfassungsgerichtsurteil stamme aus diesem Jahr. Für Hartz IV trägt die SPD die Verantwortung. Es ist wie ein Fluch aus der Vergangenheit, den die Partei nicht loswird.

Es schmerzt die SPD, dass sie in der Hartz-IV-Debatte in so einer Zwickmühle steckt. Nicht wenige hatten gehofft, sie hätten auf dem Parteitag am Sonntag mit den neuen Beschlüssen zu Rente und Arbeitsmarkt alte Lasten aus ihrer Regierungszeit über Bord geworfen, um unbefangen nach vorn blicken zu können.

Doch Beschlüsse und Parteitag dienten vor allem dazu, die Partei mit sich selbst zu befrieden. Jetzt aber sieht sie sich mit politischen Realitäten konfrontiert. Dabei hatte manche in der Partei gerade wieder damit begonnen, von einem Regierungswechsel 2013 zu träumen.

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14 Kommentare

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  • B
    baum

    Ein trüber mainstream-Artikel ohne geistige Inhalte.

     

    Allein schon die Verwendung des Wortes Erhöhung im Zusammenhang mit den H4-Veränderungen zeigt, daß der Autor keinen blaßen Schimmer von dem Geseetzespaket hat.

  • V
    vic

    Niemand bestreitet dass Hartz IV ein Kind der SPD geführten Regierung ist, Kriegseinsätze von ihr begonnen wurde,

    Aber ist das ein Grund, dass sich eine Partei Jahre später nicht anders entscheiden darf?

    Natürlich muss die SPD blockieren.

    Sie sollte vielmehr auf die miese Regierungstaktik hinweisen, die ihre mickrige "Erhöhung" mit der Begründung verkauft, jeder Euro mehr würde doch nur versoffen und verqualmt.

    Das ist eine perfide Masche, typisch für Merkel.

  • H
    Harald

    „Geschaffen hat diese Regeln aber nicht die Union, sondern die rot-grüne Bundesregierung.“ !!!

     

    Diesen Satz aus Gordon Repinskis Kommentar sollte in großen fetten Bildzeitungs-Lettern geschrieben werden, für alle, die immer noch glauben, diese beiden Parteien seien „links“.

     

    Die Kohl-Regierung hätte so etwas wie Hartz IV nur gegen heftigste Widerstände der Gewerkschaften, Sozialverbände, linken Gruppierungen etc. durchsetzen können. Nur unter einer rot-grünen Regierung konnte damals der Widerstand eingeschläfert werden.

     

    Und noch ein anderes aktuelles Thema zur Erinnerung. Sozialdemokraten marschieren heute bei Anti-Akw-Demos mit. Die Atomkraft wurde aber in den Siebziger-Jahren vom SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt mit brutaler Gewalt durchgeprügelt.

  • U
    Urgestein

    Wer meint, dass die Ursachen für Drogenabhängigkeit einfach dort zu suchen sind, wo die Menschen "zuviel" Geld haben, der hat schon ein reichlich gestörtes Verhältnis zu seiner Umwelt und gesellschaftlichen Prozessen. Wer dann aber auch noch auf die Idee kommt, zur Vermeidung dieser potentiellen Suchtgefahr ausgerechnet den Ärmsten dieses Landes ihre Mittel zusammenzustreichen, der gleitet selbst nach den verbogenen Massstäben des eigenen kruden Weltbilds ab ins tief Irrationale.

     

    Mit der gleichen Argumentation wie im Kommentar könnte man auch behaupten, dass die SPD der Laufzeitverlängerung zustimmen muss - schliesslich war sie ja mal in den 60ern und 70ern des vergangenen Jahrhunderts massgeblich am Aufbau der zivilen Nutzung der Kernenergie beteiligt.

     

    Aber man darf sogar den Parteien zuweilen unterstellen, dass sie zum Umdenken bereit und an grundsätzlich neuen Lösungsansätzen interessiert sind. Wenigstens denen, die sich als "progressiv" verstehen. Und die Garde, die für Hartz IV, Sozialabbau und Verelendung ca. eines Drittels der Gesellschaft zu Gunsten der oberen 2-5% (die von Onkel Gerd so titulierte "Mitte der Gesellschaft") verantwortlich sind, ist ja inzwischen abgetreten.

     

    Der Kommentar ist da uninspiriert, altbacken und an der Realität glatt vorbei.

  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Von HARTZ IV zum Pfändungsfreibetrag

    ------------------------------------

     

    Die Schröder-SPD hat die HARTZ Gesetze zu verantworten. Die Rest-SPD wird jetzt im Klein-Klein um neue Regelsätze regelrecht von schwarz-gelb verhartzt!

     

    Leider hat auch die Rest-SPD keine Vision für eine nachindustrielle Wissens- und Kulturgesellschaft!

     

    Wir brauchen ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) in Höhe des Pfändungsfreibetrags von derzeit 985,99 Euro monatlich - also rund 1.000 Euro für jeden wie es vom Unternehmer Götz W. Werner und der Bündnisgrünen Adrienne Göhler in deren gleichnamigen, aktuellen Buch gefordert wird.

     

    Die Finanzierung wird nur über eine schrittweise Erhöhung der MwSt auf EU-konforme 25% möglich sein.

     

    Eine höhere MwSt führt nämlich zu einer Umverteilung von Oben nach Unten. Wer viel Geld ausgeben kann bezahlt auch viel MwSt.

     

     

    Das BGE ist praktisch der ausgezahlte bzw. mit der übrigen Einkommenssteuerschule verrechnete MwSt-Freibetrag. Steuertechnisch haben wir eine inhärente Progression!!!

     

    Leider bleiben auch die taz-Redakteure lieber im Nebel als dass Sie für Auf-Klärung sorgen würden.

     

    Grundeinkommen muss sein - auch in der taz!

     

    L.P. Häußner, Karlsruhe

  • EF
    Eric Formann

    Echt, normales Hochdeutsch ist viel zu unstylisch und öde!

    Erinnert euch an eure Roots, jo!

    Also mehr kritische Assays im Styl von anno '78.

     

    @ Max: Eine freshe Geste aus der Gegenwart: *kopfschüttel*

  • M
    Max

    Gordon Repinski sieht auf dem Foto gar nicht so alt aus. Eher jung und neugierig. Trotzdem schreibt in so einem oldfashioned Deutsch aus den 60ern.

    Der Artikel könnte auch aus dem Hamburger Abendblatt stammen.

     

    Und: Zwar alles richtig - aber auch nichts Neues.

     

    He - TAZ - was ist los mit euch. Schlaft ihr da ein in Berlin??

    Was ist das für ein Journalismus. Denkt ihr, das merkt keiner?

     

    Habe mich gestern mit einer Freundin über euch unterhalten (hier in Hamburg) - die hat's auch schon gemerkt. Da helfen auch die ganzen Aboaktionen nix. Strengt euch mal an und erinnert euch an eure Roots!!

  • A
    Amos

    Was sagte Schröder damals noch: "Wir werden's besser machen"!? (als Kohl) Der Kanzler der Bosse ist schließlich dafür verantwortlich, dass die SPD heute degradiert ist. Aber jetzt könnte sie wieder Profil zeigen und sich mit der lächerlichen Hartz IV Erhöhung nicht zufrieden geben.- Aber, Herr Repinski ich denke, die Hartz IV Empfänger verzichten gern zeitweilig auf 5-Euro, wenn die Möglichkeit besteht angemessener "alimentiert" zu werden.

  • KS
    Konstantin Schneider

    Die meisten Hartz IV Empfänger dürften der SPD den Rücken stärken, damit diese höhere Sätze für sie erkämpft. Und genau darauf dürfte es die Schwarz-Gelbe Koalition mit ihrer symbolischen Erhöhung auch abgesehen haben. Sie möchte nämlich eine möglichst lange Auseinandersetzung mit den Sozialdemokraten. Sie will nicht, dass die Hartz'ler als die Klügeren nachgeben, sondern dass die SPD sich mit der Devise. "Mit 5 EURO seid Ihr dabei" als Glücksbringer positioniert. Der zeitweilige Verzicht auf die 5 EURO könnte schliesslich eine Erhöhung um 50 EURO begünstigen. 600 EURO pro Jahr aber sind angesichts der "Miniatursteuergeschenke" bei denen die Bundesbürger meistens gerade mal 99,99 EURO mehr im Portemonnnaie behalten, eine viel zu grosse Entlastung.

  • T
    tac23

    Dem Kommentar kann ich nur zustimmen.

    Allerdings finde ich diese Diskussion wie so manche andere ziemlich scheinheilig.

     

    Es musste damals eine neue Lösung der Sozialhilfe für die immer größer werdende Zahl von Leistungsempfängern gefunden werden.

    Und - solche Regierungsentscheidungen haben natürlich wirtschaftliche Auswirkungen. Wer also verlangt, daß die Bemessung von Hartz4 "unabhängig" vom Staatsbudget festgelegt wird, führt jeden Staat früher oder später in den Bankrott. Schon heute gibt es viel zu viele gesetzlich verankerte finanzielle Ansprüche an den Staat, die dieser in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht mehr erfüllen kann. Zumindest nicht - ohne das Wirtschaftsystem zu ändern ;-)

     

    In den letzten Jahren wurden jedes Jahr(!) dafür Schulden im Gegenwert von ~10 StuttgarterBahnhöfen neu aufgenommen.

    (1 StuttgarterBahnhof = ~5 Mrd. Euro)

  • K
    keetenheuve

    Genauso ist es. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso rot-grün sich so über die Neuregelung aufregen. Entweder leiden die Kritiker an massivem Gedächtnisverlust oder sie zeigen eine enorme Selbstverleugnun, oder es ist eine Mischung aus beidem.

  • S
    Stefan

    Ich kann der Argumentation nicht zustimmen. Die SPD kommt um eine Zustimmung nicht umhin, weil es ansonsten gar keine Erhöhung gibt? Hä? Wegen 5 Euro? Das ist alles, was es zu "verlieren" gäbe - und das auch nur zeitweise, weil es ansonsten nachgezahlt würde. Andererseits aber gibt es viel zu gewinnen. Höhere Sätze nämlich für die Betroffenen und ein Stück verlorene Glaubwürdigkeit für die SPD. Da sind das Risiko, diese 5 Euro etwas später erst zu bekommen, wahrlich kein hoher Preis.

     

    vg, stefan

  • HJ
    Hessie James

    Ihr Kommentator argumentiert geschichtslos. Als die Grundsicherung für Arbeitssuchende beraten und beschlossen wurde, hatte die Union im Bundesrat die Mehrheit und konnte das Gesetz an vielen Stellen verschlechtern bzw. verändern (Stichwort: Optionskommunen, Stichwort Kosten der Unterkunft). Heute ist die Situation genau umgekehrt. Da sollten Verbesserungen wohl möglich sein.

  • HS
    Horst Steiner

    Ich glaube nicht, dass alles so bliebe wie es ist wenn die SPD im Bundesrat nicht zustimmen würde. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Neuregelung der Sätze bis zum Jahresende gefordert und Transparenz und Nachprüfbarkeit der Berechnung angemahnt. Falls nun nichts geändert würde, verstiesse man doch gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes mit den Konsequenzen... Ich weiss leider nicht was dann passieren würde. Käme es zu einer automatischen neuen Verurteilung der Regierung? Zumindest müsste doch zur Sprache kommen, dass man nun bei der Berechnung des Verbrauchs nicht die unteren 20% gewählt hat, sondern nur die unteren 15% der Bevölkerung. Und das man dann, als der Betrag immer noch zu hoch war, WILLKÜRLICH Posten gestrichen hat. Natürlich aus Gründen der gesundheitlichen Fürsorge - sprich Bevormundung von erwachsenen Menschen. Denn es tauchen in der Verbrauchsstatistik tatsächlich die Positionen "alkoholische Getränke" und "Tabakwaren" auf, doch die Beträge sind insgesamt so gering, dass es allemal für eine Zigarette pro Tag und eventuell ein Glas Bier - 0,2l- reichen würde. Es stand von vornherein fest, dass man solange rechnen würde bis es passt. Und die Frage der Hartz IV- Empfänger und aller Bürger ist letztendlich: leben wir in einer Demokratie oder machen DIE DA OBEN, nachdem sie gewählt wurden was sie wollen.

     

    H.Steiner