Kommentar Hartz IV und Migranten: Die Zeit fürs Vorurteil
Von einer massenhaften Einwanderung in das soziale Netz kann keine Rede sein. Denn Flüchtlinge bekommen meistens gar kein Hartz IV. Wir brauchen mehr Niveau in der Debatte.
N achdem FDP-Chef Westerwelle mit seinen Sprüchen gegen Hartz-IV-Empfänger auf heftige Resonanz stößt, kommt eine neue Lieferung zum Thema jetzt von den bürgerlichen Medien selbst.
Der Chefredakteur der Zeit verweist auf längst bekannte Zahlen, nach denen Migranten und ihre in Deutschland lebenden Nachkommen überproportional häufig auf Hartz IV angewiesen sind. Es dränge sich der Verdacht auf, dass das hiesige Sozialsystem eine "massenhafte Einwanderung in die sozialen Netze auslöst", heißt es in dem Leitartikel. Die Bild-Zeitung schlagzeilte in Verweis auf den Kommentar der "hoch angesehenen Zeit": "Warum kriegen Migranten häufiger Hartz IV als Deutsche?" Tja, warum?
Dazu gibt es Fakten: So finden sich unter den Migranten viele Ältere, die als Hilfsarbeiter hart ackerten, gesundheitlich angeschlagen sind und jetzt keine Beschäftigung mehr finden. Dann haben die Frauen mit Migrationshintergrund oft mehrere Kinder - eigentlich doch ein Wunsch unserer Familienpolitiker -, auch das erschwert eine Berufstätigkeit. Und Hauptschulabsolventen mit einer momentan nicht nachgefragten Zweisprachigkeit tun sich schwer, eine tragfähige Berufsperspektive zu entwickeln.
Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.
Das alles ist nicht einfach. Es bedarf auch der längeren Aufzählung, dass von einer "Einwanderung" ins soziale Netz keine Rede mehr sein kann, seitdem Asylbewerber kaum noch in Deutschland anlanden können, Flüchtlinge oftmals weder arbeiten dürfen noch Hartz IV bekommen und der Zuzug der Ehegatten durch Sprachtests massiv blockiert wurde.
Die größte Gefahr der momentanen Verteilungsdebatte besteht darin, dass sie so kompliziert ist. Selbst für Bildungsbürger. Aber ein bisschen anspruchsvoller sollten wir schon sein.
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