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Kommentar Hartz IV-VerhandlungenLaut streiten, leise vollziehen

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Das Hartz-IV-Verhandlungsgetöse täuscht darüber hinweg, dass die Änderungen längst festgezurrt sind. Und erst in der Praxis werden die schmerzhaften Auswirkungen sichtbar.

D iese Gesprächskonstellation kennt man - es ist die von Tarifritualen: Eine Seite stellt Forderungen, die moralisch berechtigt, aber zu teuer erscheinen. Die Verhandlungspartner werfen sich vor, einen Abschluss zu "blockieren". Man nimmt jeweils für sich in Anspruch, mehr als der andere das Gemeinwohl zu vertreten.

Bild: taz
BARBARA DRIBBUSCH

BARBARA DRIBBUSCH ist Redakteurin für Sozialpolitik

In dem Verhandlungsmarathon zur Hartz-IV-Reform, der am Freitagnachmittag noch andauerte, ist die Zahl der Anliegen zudem gewachsen wie ein Modulregal von Ikea. Es geht um den Mindestlohn, um die Bildungsförderung, das Existenzminimum, den Finanzausgleich zwischen Bund und Kommunen. Man könnte meinen, hier werde inzwischen die Zukunft des Sozialstaats verhandelt. Doch das Getöse täuscht. Dramatisches wurde schon vorher beschlossen, beim Sparpaket im vergangenen Jahr.

Diese Mammutrunde mutet daher seltsam an, wie irgendwie aus der Zeit gefallen. Die Verhandlungsgegner streiten um ein paar mehr Sozialarbeiter an den Schulen und die Berechnungsweise des Regelsatzes. Doch die Mittel für die Arbeitsförderung wurden für dieses Jahr konkret um 20 Prozent gekürzt.

Wie ernst soll man als Hartz-IV-Empfänger da eine Runde nehmen, in der die Kontrahenten in Gestalt von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig um die moralische Lufthoheit streiten? Politik ist für die Betroffenen nicht dann schmerzhaft, wenn der lauteste Lärm ertönt. Sondern später, wenn leise vollzogen wird.

Man sollte sich vom aktuellen Lärmpegel also nicht beeindrucken lassen, sondern den Blick wach halten für die spätere Praxisphase. Die entscheidet über Sinn und Unsinn des Bildungspakets. Und in ihr werden die Kürzungen des Sparpakets ihre ganze Dramatik zeigen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

4 Kommentare

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  • A
    Amos

    Man macht ein Getöse um den armen Schweinen etwas Futter hinzuwerfen, sodass es nicht mehr zum Aushalten ist Diese sind doch eigentlich nur Afallprodukte des Kapitalismus, die man widerwillig als Menschen behandeln soll. Das große Geld, was hier fehlt, ist längst verzockt worden. Es ist genug Geld übrig, das man lieber verzockt als sozial zu sein.

    Die asozialen Schweine sind eigentlich die, die dieses System erhalten. Man will dieses System, aber nicht dessen Opfer.

  • H
    hto

    Im medialen Tanz um den heißen Brei, also in der konfusionierenden Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll, wird die logische Symptomatik der systemrationalen Maßnahmen nach dem "Kalten Krieg" erst richtig schmerzhaft manifestiert - es ist offenbar nicht möglich eine zu wahrhaftiger Vernunft fusionierende Kommunikation ausserhalb und gegen die gutbürgerlich-gebildete Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche zu entwickeln!?

  • D
    Dandy

    Mit Folgen werden wir uns viel später beschäftigen müssen. Dann nämlich wenn die Kinder der heutigen Hartz-Bezieher erwachsen sind ! Sie wachsen mit dem Gefühl auf, nie eine Chance in dieser Gesellschaft gehabt zu haben ! Das kostet dann aber auf alle Fälle mehr als 5 Euro ! Aber dann ist Frau von der Leyen schon längst nicht mehr in Job ! Oder Bundeskanzlerin

  • GS
    Gert Selling

    Das finde ich jetzt ehrlich gesagt schade, dass Sie den Lärmpegel derart werten. Mag sein, dass die auf Geld basierenden Einschnitte bereits durch sind. Was aber ist mit den ganzen ekligen Verschärfungen, für die sich von der Leyen des Pakets als Trittbrett bedienen will? Der Lärmpegel sollte noch wesentlich lauter sein, aber eben aus anderen Gründen.