Kommentar Handydatenspeicherung: Handy aus? Kontrolle an!
Das Vorgehen der Dresdner Polizei ist ein Skandal. Aber dieser Skandal hat auch sein Gutes – er zeigt, was technisch möglich ist. Und rechtlich nötig.
D ie Polizei hat bei einer Anti-Nazi-Demo in Dresden die Handyspuren von tausenden Menschen gespeichert. Sie hat die heiklen Daten nicht nur für das ursprüngliche Verfahren, sondern auch für weitere, sachfremde Ermittlungen verwendet. Ein Skandal? Klar, keine Frage. Denn selbst die viel kritisierte Videoüberwachung ist dagegen ein olles Instrument.
Eine Kamera liefert nur Bilder. Wer darauf genau zu sehen ist, muss ermittelt werden. Handyverbindungen aber garantieren absolute Transparenz: Wer war wann wo und hat mit wem telefoniert? Die Meldeadresse der Telefonbesitzer gibts für die Fahnder inklusive. Und zwar nicht nur von konkret Verdächtigen. Sondern von allen, die irgendwie in der Nähe waren. Wer braucht da noch so was Gestriges wie pixelige Videos?
Der Dresdner Datenskandal hat aber auch etwas Gutes. Er zeigt, was technisch heutzutage ohne Weiteres möglich ist. Und dass alles, was möglich ist, tatsächlich auch gemacht wird.
GEREON ASMUTH leitet das Berlin-Ressort der taz.
Immer wieder mal geistert die Meldung durch die Medien, dass ein Einbrecher gefasst wurde, weil er seinen Personalausweis am Tatort vergessen hat. Dann amüsiert sich der rechtschaffene Bürger über die Dummheit des Verbrechers. Der gewiefte Ganove aber weiß heutzutage längst, dass er am Tatort nicht nur keine Fingerabdrücke und Ausweise hinterlassen sollte, sondern auch keine Handyspuren. Also schaltet er sein Funktelefon aus oder lässt es daheim.
Handy aus? Auch für den datenkritischen Bürger wäre das theoretisch eine Option. Praktisch aber wird im Zeitalter der Kommunikation von ihm erwartet, dass er sein Bewegungsprofil als digitale Spur hinterlässt. Ohne wäre er schlichtweg nicht auffindbar. Nicht in eventuellen Fahndungsdateien. Aber auch nicht für seine Telefonpartner.
Die Technik hat sich rasant fortentwickelt. Sie wird es auch in Zukunft tun und somit weitere Fahndungsmöglichkeiten schaffen. Bei einer bedächtig agierenden Legislative muss die juristische Definition des Erlaubten zwangsläufig hinterherhinken. Einen umfassenden Schutz kann daher nur eine sehr weitreichende Forderung bieten. Jede einzelne durch neue Technik hinzukommende Fahndungsmethode muss explizit vom Gesetzgeber geprüft und genehmigt werden - bevor sie zur Anwendung kommt. Alles andere öffnet staatlichem Datenmissbrauch Tür und Tor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert