piwik no script img

Kommentar Hamburger VerfassungsschutzEin Paradoxon der Demokratie

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Die Arbeit des Verfassungsschutzes wäre nicht gefährdet, wenn das Parlament über seinen Etat entschiede.

D er Verfassungsschutz ist eine Art Paradoxon der Demokratie: Anders als der Staatsschutz, die politische Polizei, soll der Inlandsgeheimdienst ein höheres Gut schützen: die Verfassung. Und da steht in Paragraf 20.2: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Dennoch kann man an den Verfassungsschutz nicht dieselben Transparenzmaßstäbe anlegen wie an andere demokratische Institutionen. Stünde sein Handeln unter permanenter öffentlicher Beobachtung, wäre er nicht arbeitsfähig.

Etwas anderes ist es mit dem Etat der Behörde: Die Arbeit des Verfassungsschutzes wäre keineswegs gefährdet, wenn das Parlament über Umfang und Schwerpunkte oder sogar Einzelpositionen des Haushalts entschiede. Kann ja sein, dass in Hamburg ein erhöhter Bedarf herrscht. Weil Stadtstaaten mehr Verfassungsfeinde pro Einwohner anziehen. Weil man nicht noch einmal so eine Blamage wie mit den Attentätern des 11. September erleben möchte. Oder weil Hamburg eine besonders militante linksradikale Szene hat. Und noch ein paar Nazis dazu. Aber für solche Anliegen muss man eben parlamentarische Mehrheiten gewinnen. Sonst droht ein Staat im Staate.

Also: Die Bürgerschaft muss über den Haushalt des Landesamts für Verfassungsschutz abstimmen. Seine Arbeit kann es gern weiterhin im Parlamentarischen Kontrollausschuss darlegen. Aber nur wenn darin endlich alle Fraktionen sitzen - auch die Linke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
Mehr zum Thema