Kommentar Hamburg: Koalitionen neuen Typs
Das Publikum in Hamburg erlebt diese Woche die Geburt einer Koalition neuen Typs. Kein Projekt, keine Leidenschaft, keine Liebe.
E s stand schon mal besser um Schwarz-Grün - das sagen sie jetzt alle. Die Grünen in Baden-Württemberg, die mit dem örtlichen CDU-Ministerpräsidenten um Atomlaufzeiten und unterirdische Bahnhöfe streiten. Die Grünen in Hamburg, die sich diese Woche für einen Bürgermeister entscheiden sollen, der ihnen bis vor kurzem als Innensenator noch ein Feindbild war. Und die Akteure im Berliner Regierungsviertel, wo CSU und FDP der CDU ihr grünes Mäntelchen beschmutzen.
Aber um welches Koalitionsmodell steht es in diesen Tagen eigentlich gut? Das Verhältnis zwischen den Grünen und der SPD war gleichfalls schon mal besser, zumal sich die Sozialdemokraten von den Errungenschaften der gemeinsamen Regierungszeit zunehmend verabschieden. Eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei ist im Westen nirgends zustande gekommen. Große Koalitionen werden von der SPD rigide abgelehnt, zuletzt in Nordrhein-Westfalen. Von der Wunschkoalition Schwarz-Gelb nicht zu reden. Und ein berechenbarer Bündnispartner im Bund ist die Union sowieso nicht, solange Horst Seehofer in München das Zepter schwingt.
So erlebt das Publikum in Hamburg diese Woche die Geburt einer Koalition neuen Typs. Kein Projekt, keine Leidenschaft, keine Liebe: Stattdessen ein Bürgermeister, der habituell eher das Prinzip Volkspartei verkörpert und weniger grüne Ansprüche an urbane Bürgerlichkeit - aber gerade deshalb die eigene Klientel für Kompromisse mit den Grünen gewinnen könnte, was dem Vorgänger zuletzt nicht mehr gelang. Und zwei Parteien, für die ein Ausstieg aus der Koalition einem politischen Suizid gleichkäme.
Ralph Bollmann leitet das Parlamentsbüro bei der taz.
An den Mehrheitsverhältnissen können auch die Konservativen in der Union am Ende nicht vorbei. Das macht die Debatte um das angebliche Verschwinden dieses Parteiflügels so skurril.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin