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Kommentar Hafen-WachstumNicht auf Kosten anderer

Hamburg lebt von seinem Hafen. Dennoch darf er nicht auf Kosten von Mensch und Natur wachsen.

W enn es der Hamburger Hafen und Logistik GmbH gut geht, geht es dem ganzen Hamburger Hafen gut. Und damit geht es nach landläufiger Meinung der gesamten Stadt gut. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Zeit seiner Existenz lebt Hamburg vom und mit dem Hafen. Dass sich das ändern wird, ist nicht abzusehen.

Ändern indes muss sich der Umgang mit dem Hafen im öffentlichen Bewusstsein. Die Zeiten sind vorbei, in denen der Hafen ohne Rücksicht auf ökologische und soziale Zusammenhänge erweitert wurde. Die Vernichtung des Fischerdorfs Altenwerder für einen Containerterminal in den 90er-Jahren ist das bisher letzte unrühmliche Beispiel.

Eine erneute Hafenerweiterung in Moorburg ist nur deshalb nicht akut, weil Areale mitten im Hafengebiet umgenutzt werden können. Der geplante Central Terminal Steinwerder bietet die Chance für eine intelligente intensive Nutzung bestehender Flächen, statt immer neue zu betonieren.

Niemand sollte deshalb den Prognosen Glauben schenken, dass der Containerumschlag sich binnen 15 Jahren verdreifachen würde. Für dieses Szenario gibt es keine sachliche Grundlage; es ist der Versuch der Hafenwirtschaft, Druck auf Politik und Öffentlichkeit aufzubauen.

Der Hafen wird weiter wachsen. Aber er darf es nicht auf Kosten von Mensch und Natur.

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Hamburg-Redakteur
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4 Kommentare

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  • KK
    Kai Kante

    Die Hamburger Hafenpolitik unterliegt zwei großen Mängeln. Erstens lässt man sich von einer nachholenden Entwicklung nach dem großen Einbruch blenden und dazu verleiten, goldene Wachstumsraten für die nächsten 15 Jahre zu unterstellen – angesichts der jüngsten Wirtschaftskrisen geradezu naiv. Zweitens – und vielleicht noch schwerwiegender – nutzt man diese Wackelprognose, um auf Teufel komm raus die passende Infrastruktur durchzupeitschen. Für jeden Container, den vielleicht mal jemand in Hamburg umschlagen will, wird schon mal Stellfläche, Straße und Schiene gebaut. Bevor man dafür aber den gesamten Süderelberaum planiert, sollte man vielleicht mal eine Kosten-Nutzen Rechnung aufstellen. Mit unbegrenztem Mitteleinsatz ließen sich anderswo auch Jobs schaffen – vielleicht sogar in wirklich zukunftsweisenden Branchen.

  • HM
    hj maass

    Der mögliche Irrtum von taz-Redakteur Sven-Michael Veit liegt nicht darin, dass er dem Hafen Wachstum prognostiziert. Wenn der Hafen von 2007 – 2011 rund 10 % Containerumschlag verloren hat, wie Rothschuh schreibt, dann kann dieser Rückgang selbstverständlich sehr rasch wieder aufgeholt werden, wenn wir Zuwächsen von 17% beobachten. Rothschuh kann nicht rechnen, das ist in Fachkreisen allgemein bekannt.

     

    Nein, Sven-Michael Veit irrt, wenn er sagt die Stadt lebt vom Hafen, das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Das ist naiv und wäre so als wenn man sagen würde das Ruhrgebiet lebt von der Kohle. Tatsächlich ließ sich eines Tages mit der Kohle kein Geld mehr verdienen. Und ganz ähnlich verhält es sich mit dem Hafen. Er ist heute ein Subventionsempfänger! Das hat man im Ruhrgebiet seinerzeit nicht gerne gehört – und genauso verhält es sich derzeit in Hamburg. Tatsache ist: es gibt keinen einzigen deutschen Seehafen der kostendeckend arbeitet!

     

    Das ist jetzt kein Plädoyer zur Abschaffung des Hafens. Es ist der Aufruf mit dem Hafen Geld zu verdienen und den Subventionswettlauf zwischen den europ. Häfen zu beenden. Chinesische Häfen nehmen erheblich höhere Hafengebühren und arbeiten kostendeckend. Da müssen wir hinkommen.

  • D
    domsch

    Lieber Herr Rothschuh,

     

    prinzipiell bin ich Ihrer Ansicht bezüglich der utopischen Verdreifachung. Dennoch hat Ihre Argument sehr viele, leicht angreifbare Lücken. Sie lassen nämlich, indem sie sich den für Ihre Ansicht günstigsten Zeitraum suchen, außer Acht, daß der Hafen in den späten 90ern noch bei etwa 3 Mio TEU herumkrebst und bis zur Krise konstant wuchs. Nun hat er sich sehr schnell wieder eingependelt und auf kurzer Sicht ist eine Veränderung nicht in Sicht.

     

    Sollte der Hafen dementsprechend weiterwachsen, dann sind 15 Mio zum Ende des Jahrzehnts nicht unmöglich. Aber wie gesagt, bedarf es dafür keine neuen Flächen, da der Hafen seine Flächeneffizienz stark steigert.

     

    Entscheidender Punkt ist aber, wenn man Ausbaumaßnahmen in Angriff nimmt, nicht, wo der Hafen in fünf oder zehn, sondern dreißig oder fünfzig Jahren steht. Und da sehe ich keine Zukunft für den Hamburger Hafen. Jedenfalls nicht in einer solchen Größenordnung. So rasant steigt nämlich nicht der Warenverkehr insgesamt, wovon bereits ein gewaltiger Großteil auf die Seefahrt fällt. Letztendlich wird also nur mit einem enormen Wachstum auch ein möglicher Im- und Export steigen und das ist in dem Ausmaße nicht in Sicht, während andere Standorte, speziell im Norden der Adria, immer attraktiver werden und der Trend in Richtung Hochseehäfen geht, da die größten Schiffe, für die es bereits Modelle gibt, so gut wie gar keinen Hafen an Land mehr anlaufen können. Denkbar ist daher ein riesiger Hafen mitten in der Nordsee, von wo aus mit "kleineren" (bis 15k TEU) Schiffen die Ware an die jeweiligen Häfen gebracht wird.

     

    Nichtsdestotrotz ist übrigens der JWP wirklich keine Investition.

     

    Guten Gruß auf die Insel. ;-)

  • MR
    Michael Rothschuh

    "Der Hafen wird weiter wachsen" betet Sven-Michael Veit die Parolen von Handelskammer, Senat und Abendblatt nach. Gegenüber 2007 hat der Hafen im Jahr 2011 10% Containerumschlag verloren. Und es gibt derzeit keine Anzeichen, dass er jemals über die 10 Mio--Grenze, geschweige denn auf 15, 20, 25 Mio. oder andere utopische Größen kommen wird: Die Konjunkturprogramme aus der Krise laufen aus, Europa steht an der Schwelle zu einer Rezession, die Umstellung des Transports von Stückgütern auf Containertransport ist abgeschlossen. Gleichzeitig werden konkurrierende Umschlagskapazitäten nicht nur in Wilhelmshaven ausgebaut, die Ostseeanrainer bauen Häfen für den Direktransport ohne Feederverkehr aus.

    Die Parole vom fortwährenden Wachstum des Hafens entbehrt jeglichen Beweises, aber zeigt politisch Wirksamkeit in den neuen Drehungen der Gebetsmühle zu Autobahnen, Hafenquerspange, Elbvertiefung usw.

    Michael Rothschuh