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Kommentar Grünen-BoomDie Schwammigen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Grünen profitieren von einem diffusen Unbehagen an der Parteiendemokratie und saugen wie ein Schwamm links und rechts Unzufriedene auf.

D ie Grünen liegen, seriösen Umfragen zufolge, im Bund bei 18 Prozent. Bei den Wahlen, etwa in NRW, haben sie gut abgeschnitten. Sie sind populär wie nie. Warum eigentlich?

Bestimmt nicht wegen ihrer glanzvollen Regierungsarbeit in Hamburg und im Saarland. In der Hansestadt wurde die erste schwarz-grüne Koalition als historisches Ereignis gefeiert. Davon ist seit dem verlorenen Volksentscheid in der Schulpolitik nichts mehr übrig. Im Saarland lastet auf den Grünen der Verdacht, dass Geldspenden eines FDP-Unternehmers die Bildung der Jamaika-Koalition enorm beflügelten.

Das müsste eine Partei mit einem so streng moralischen Selbstbild ins Mark treffen. Tut es aber nicht. Denn die Grünen sind anscheinend unverwundbar: Sie sind bürgerlich, aber auch ein bisschen alternativ, staatstragend, aber demotauglich, ein bisschen neoliberal, aber eigentlich auch für einen etatistischen Green New Deal. Sie sind in der Mitte angekommen, aber auch ein bisschen anders. Meinungsführer sind sie noch immer nur bei der Umwelt, sonst nirgends. Selten war eine Partei so grundlos erfolgreich.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Natürlich ist manches an dem Hoch flüchtig und situativ. Die Grünen profitieren von einem diffusen Unbehagen an der Parteiendemokratie und saugen wie ein Schwamm links und rechts Unzufriedene auf. Außerdem ist der Rhythmus der Stimmungswechsel schneller geworden. Gestern war die FDP ganz weit oben, heute sind es die Grünen, morgen andere. Eine abstruse Verwechslung ist insofern das Wort von der neuen Volkspartei. Die Grünen sind nichts weniger als das. Sie sind eine relativ kleine Milieupartei aus Beamten, Lehrern, Selbständigen, ohne Arbeiter und Arbeitslose.

Was die Partei von ihrem gefühlten Höhenflug am Ende haben wird, ist völlig offen. Der Protest gegen den schwarz-gelben Atomdeal hat ihre Street Credibility erneuert. Ihre Koalitionsmöglichkeiten aber sind mit Merkels Pro-Atom-Kurs rasant zusammengeschmolzen. Denn die Grünen können alles Mögliche sein, aber keine AKW-Partei. Damit ist der Traum von Schwarz-Grün fürs Erste geplatzt. Ihr Lieblingsort, in der Mitte zwischen SPD und Union, ist damit abgebrannt.

Gegen Schwarz-Gelb zu sein ist derzeit nicht schwierig. Die Frage lautet, ob die Grünen den Mut haben, mit SPD und Linkspartei eine Alternative zu schmieden. Dafür müssten sie sich entscheiden. Können sie das?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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7 Kommentare

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  • CR
    Cathrin Ramelow

    Nein das können sie gerade nicht - sich entscheiden meine ich.

     

    Es ist ja gerade das diffuse, undurchsichtige was die augenblickliche stärke? der Grünen scheint.

    Ich denke die anderen geben eher ein schlechtes Bild ab, als das Grün so stark daher kommt. Im letzten Wahlprogramm war kein richtiges Wirtschaftsprofil zu erkennen. Grün hat Glück, das die SPD einseitig für HARTZ IV und den Ausbau des Niedriglohnsektors die Prügel bezieht.

    Was sie gut können ist mit dem Finger auf andere zeigen und ihre Verantwortung zu vertuschen. So gesehen sind sie fit für's regieren mit wem auch immer.

  • HL
    Hauke Laging

    Woher weiß denn Herr Reinecke, wie sehr die Saarlandärgernisse die Partei treffen? Wie die Saarländer das sehen, weiß ich auch nicht. Die Berliner Grünen haben jedenfalls keine hohe Meinung davon. Aber was interessiert den Berliner (...) Wähler der kleine Landesverband Saarland mit seinen drei Abgeordneten?

     

    Wer stellt denn offiziell fest, wer auf welchem Gebiet die Meinunsgführerschaft hat? Mal ganz abgesehen davon, dass man Meinungsführerschaft nicht unterschiedslos den gesamten Wählern überhelfen kann. Wenn einem Grünen-Sympathisanten innere Sicherheit wichtig ist, dann wird er dadurch in der Regeln nicht CDU-affin, auch wenn man der CDU auf dem Gebiet die "Meinungsführerschaft" zubilligen mag. Einfach deshalb, weil derjenige eine andere Vorstellung davon hat als die CDU.

     

    Aber wer hat denn nach Meinung des Autors die "Meinungsführerschaft" bei den Themen Bürgerrechte, Gleichberechtigung (Frauen und Minderheiten), Integration, Basisdemokratie, nachhaltiges Wirtschaften? Was nützt dem Wähler obendrei eine "meinungsführende" Partei, wenn die sich in der Umsetzung als unfähig erweist? Man wählt zumeist mehr als nur ein Parteiprogramm. Man wählt den Gesamteindruck einer Partei. Die Zustimmung zu den Grünen als grundlos zu bezeichnen, ist daher lächerlich. Ein Großteil der CDU- und SPD-Zustimmung ist historisch bedingt. Das ist grundlos. Man sehe sich nur mal die Verschiebung der Wahlergebnisse über die Altersgruppen an.

     

    Wenn man die Grünen wählt, hat man nicht die Sicherheit, dass sie (nach der jeweils persönlichen Einschätzung) alles richtig machen. Aber man hat – im Gegensatz zu den anderen Parteien – die Sicherheit, dass die Entscheidung durchdacht und diskutiert (und nicht bloß von oben diktiert und abgenickt) worden ist.

  • H
    hto

    Das Unbehagen ist diffus, weil die Kommunikation / der Kommunikationsmüll allerorts konfus / konfusionierend ist!!!

     

    Wo es offensichtlich ist, daß vor allem die "Schwammigkeit" repräsentativ / profitabel ist, da sind die Schwammigen kein Wunder / kein Phänomen - kreislaufende Dummheit in zeitgeistlich-reformistischer Symptomatik auf Sündenbocksuche!?

  • KD
    Karsten de Ponte

    Das ist selbstgefälliges, unpolitisches Meckern aus der Mitte der Gesellschaft. "Selten war eine Partei so grundlos erfolgreich." Ich sagen dagegen: selten hat eine Partei über Jahrzehnte hinweg so hingebungsvoll, kontrovers und qualifiziert alle Politikfelder beackert. Auch das wird nun belohnt.

    Kommentatoren wie Herr Reinecke prügeln auf die Grünen ein, wenn sie standhaft und überzeugend für eine Schulreform kämpfen (Hamburg), aber verlieren. Wenn sie dann eher Erfolg haben (NRW und jetzige Umfragen), dann hat man wieder ein Grund sich hämisch zu äußern. Bestimmt weiß er ganz genau, wie eine Partei es besser machen kann.

  • RD
    Richard Detzer

    Es gibt ein Pendant zu den Grünen - die Linke. Grüne und Linke sind die saugfähigen Nutznießer der krisenlastigen politischen Mißstimmung. Da wird Politikverdrossenheit falsch umgesetzt. Deutlich erkennbar das Fehlen von Personen mit klaren und fähigen Antworten, nebst klaren und fähigen Antworten auf die Krisenproblematik. Setzt man voraus, daß der Wille demokratischer Personen und Parteien bestimmend ist, wären dafür nicht demokratische Alternativen, sondern ein Tritt in der Sache fällig. Dafür wiederum fehlt ein demokratisches Beschlußorgan.

  • V
    vic

    Ich traue denen erst, wenn feststeht, dass sie zumindest ein Zweckbündnis mit SPD und Linke eingehen.

    Der Zweck muss sein, CDU/CSU und FDP dauerhaft von der Machtzentrale fernzuhalten.

    Ich verlange unzweideutiges Verhalten in Sachen Stromversorgung, Klima, Krieg, Repekt gegenüber ALLEN Mitbürgern, Besserstellung aller bisher Benachteiligten- also den meisten Bundesbürgern, und der Beteiligung aller Konzerne und Privatvermögenden an den Kosten des Systems BRD.

    Und ich verlange ein Verbot der NPD.

    Vorerst wars das.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Da kaum jemand ernsthaft "rationale eigene Interessensveretung" treibt und sich auch sonst keine tiefergehenden Gedanken ums Ganze der Gesellschaft macht, unter Berücksichtung der Interessen anderer,

    ist der "Souverän" Wählerwille an der Urne völlig mit Macht überfrachtet, wowvon unter anderem die GRÜNEN im

    Meinungsspiel profitieren.

    Sonst wäre das Ausmass der Repression allerorten auch mit Beteiligung der GRÜNEN nicht möglich.