Kommentar: Grüne im Sinkflug: Künast sollte Berlin mehr zutrauen
Statt zu sehr zur Mitte zu schielen, sollte Renate Künast authentische grüne Positionen vertreten und sie auch als solche verkaufen. Ansonsten wird aus dem rot-grünen Duell nichts.
E s muss sehr ernüchternd sein für Renate Künast: Eine gefühlte Ewigkeit wurde die Grüne als Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl umworben. Monatelang lag ihre Partei in den Umfragen vor allen anderen. Doch kaum gibt Künast bekannt, den Job tatsächlich zu machen, stürzen die Werte in die Tiefe. Und an diesem Debakel ist sie auch noch selbst mit schuld.
Im Nachhinein muss man vermuten: Viele Berliner, die sich noch im Herbst für Künast aussprachen, wollten vor allem einen spannenderen Wahlkampf und nicht wirklich einen grünen Sieg. Es reizte gar zu sehr, dem überheblichen Klaus Wowereit ein bisschen Angst einzujagen. Jetzt, da Künast antritt, hat sich dieser Bonus verbraucht.
Doch Künast eiert auch inhaltlich rum: Sie versucht, neue Wähler von SPD und FDP für sich zu gewinnen, der amerikanisch inszenierte Wahlkampfauftakt war ganz auf den Mainstream zugeschnitten. Doch gerade diese Leute stößt sie mit ihren Forderungen - Tempo 30 in der ganzen Stadt, eine Schrumpfkur für den Großflughafen - vor den Kopf. Gleichzeitig weiß auch das grüne Stammpublikum nicht, woran es bei Künast ist. Als Vertreterin einer links-alternativen Szene hat sie sich bislang - sicherlich bewusst - nicht präsentiert.
Das Ergebnis: Künast macht es keinem Recht. Will sie den Trend wenden, muss sie es schon wagen, authentische grüne Positionen zu vertreten und sie auch als solche zu verkaufen, statt ständig nach der Mitte zu schielen. Sie sollte dieser Stadt, die ja durchaus über ein großes, linksorientiertes Potential verfügt, ein bisschen mehr zutrauen. Ansonsten wird aus dem rot-grünen Duell nichts mehr. Dann heißt der Gewinner am Ende - mal wieder - Klaus Wowereit.
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