Kommentar Grüne Steuerpolitik: Punktsieg der Parteilinken

Wer regieren will, muss sich vom oppositionellen "Wünsch dir was" verabschieden. Die Grünen tun dies in der Steuerpolitik schon zwei Jahre vor der Wahl. Eine kluge Entscheidung.

Wer regieren will, muss sich von Liebgewonnenem trennen. Diese Einsicht treibt derzeit führende Grüne um, die ihre Partei auf einen harten Realitätsabgleich vorbereiten. Eine Finanzkommission um Fraktionschef Trittin hat kalkuliert, wie hoch das Staatsdefizit in der nächsten Legislaturperiode ausfällt und welche Einnahmen grüne Steuerideen bringen.

Es ist der Abschied vom oppositionellen "Wünsch dir was", und die Grünen tun gut daran, diese wichtige Diskussion zwei Jahre vor der Wahl zu beginnen.

Hinter dem Kassensturz steht die Einsicht, dass WählerInnen in Zeiten kollabierender Staatshaushalte finanzpolitische Ehrlichkeit goutieren. Wie richtig das ist, führt der Absturz der FDP anschaulich vor. Denn deren Steuersenkungsrhetorik wirkt nur noch grotesk. Interessant ist, dass die Finanzexperten vor allem auf Ideen des linken Parteiflügels zurückgreifen - und teilweise über die Beschlusslage der Grünen hinausgehen.

Eine Vermögensteuer wird plötzlich wieder erwogen, ebenso ein höherer Spitzensteuersatz, als er bisher im Programm steht. Dieser Punktsieg der Parteilinken ist bemerkenswert. Vor Kurzem wurden sie von den Realos belächelt, gern als haushaltspolitisch ahnungslose Verschwender diffamiert.

Die Diskursverschiebung ist konsequent. Die im Schnitt gut verdienende Klientel der Grünen wäre durchaus bereit, für einen funktionierenden Staat mehr zu zahlen. Ob sich die Grünen eine stärkere Belastung ihrer eigenen Wähler tatsächlich trauen, ist offen.

Ebenso offen ist, was das veritable Defizit, das die Kommission trotz allem am Ende errechnet, für die Inhalte bedeutet. Denn der Kassensturz ist nur der erste Schritt. Jetzt steht die Debatte an, die parteiintern Priorisierung genannt wird: Mit welchen Ideen ziehen die Grünen in den Wahlkampf - und welche lassen sie weg?

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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