Kommentar Grüne Frauen: Fast schon lustvoll
Ein bisschen Konkurrenz hat noch keinem geschadet. Aber was gerade bei den Grünen im Poker um die Spitzenkandidatur geschieht, ist ein Kulturverfall.
W as sich dieser Tage bei den Grünen abspielt, mag den Beteiligten eine gewisse Aufmerksamkeit bescheren. Ob das offen ausgetragene Hickhack um Posten, das Durchstechen und das Postengeschachere jedoch der Partei gut tun, ist sehr fraglich.
Ein Blick zu den Piraten und deren sich immer schneller drehendem Personalkarussell sollte Warnung genug sein; von der Linkspartei gar nicht zu reden.
Mit einem offenen Brief haben sich führende grüne Politikerinnen an den Bundesvorstand gewandt. In dem Schreiben, das launig mit "Dear boys" beginnt, warnen die Unterzeichnerinnen die Parteijungs davor, eine KandidatInnedebatte auf Kosten der Frauen zu führen.
ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
Gemeint ist vor allem der kürzlich via taz unterbreitete Vorschlag von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, die ostdeutsche Katrin Göring-Eckardt möge doch kandidieren (und so der Funda Claudia Roth den Spitzenplatz streitig machen). Tatsächlich drängt sich hier der Eindruck auf, da würde das in der Politik gern gespielte Spiel zelebriert, bei dem man Leute für Posten vorschlägt, die diese gar nicht wollen – um letztlich den heimlich favorisierten Anwärter präsentieren zu können.
Dass sich ein Jahr vor der Bundestagswahl die Flügel fast schon lustvoll öffentlich beharken, wenn es um die Spitzenkandidaturen geht, kann man noch getrost als parteiinterne Folklore abtun. So ein bisschen Konkurrenz und Profilschärfung hat noch nie geschadet. Dass sich aber die Grünen-Frauen ernsthaft Sorgen machen müssen, mögliche Kandidatinnen für Spitzenämter würden planvoll von den Realo-Männern demontiert, ist ein Kulturverfall.
Die Grünen können sich jetzt entscheiden. Wollen sie Transparenz? Oder möchten sie dieses Postenspiel tatsächlich spielen? Dann nur zu – auch Frauen können klüngeln. Sie sind in dieser Partei eine Macht.
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