Kommentar Große Koalition: Regierung endlos am Ende

Den Lagerwahlkampf um das Präsidialamt übersteht die Koalition nur, weil sie längst zur Attrappe einer Regierung verkommen ist. Schwans Nominierung zeigt, dass die SPD das begriffen hat.

Was für eine Nachricht: Die große Koalition wird fortgesetzt. Also ist sie offensichtlich am Ende. Denn wenn ein Regierungssprecher versichern muss, dass seine eigene Regierung noch existiert, dann ist das Maximum der Absurdität erreicht.

Und absurd wird die Koalitionskrise bleiben, denn einen Bruch wagt weder die Union noch die SPD. Schließlich bieten sich keine anderen Bündnispartner an - und eine Neuwahl ist ausgeschlossen, weil es die Glaubwürdigkeit der Volksparteien untergraben würde, wenn sie in jeder Legislaturperiode das Parlament vorzeitig auflösen. Weitreichende Entscheidungen sind von der großen Koalition jetzt aber nicht mehr zu erwarten. Oder anders formuliert: Diese Regierung ist ab sofort eine Nichtregierungsorganisation. 16 Monate vor der Bundestagswahl hat der Wahlkampf bereits begonnen.

Sichtbares Symbol dafür ist Gesine Schwan, die am Montag vom SPD-Vorstand einstimmig als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten nominiert wurde. Diese Kampfkandidatur gegen Amtsinhaber Horst Köhler kann die Union nur richtig verstehen: Das rot-rot-grüne Lager formiert sich. Zwar haben sich Grüne und Linke noch nicht entschieden, ob sie Schwan tatsächlich unterstützen werden - und bis zur Wahl in Bayern im Herbst ist sowieso unklar, ob es für eine rot-rot-grüne Mehrheit in der Bundesversammlung überhaupt reichen würde. Aber das sind vorerst Nebensächlichkeiten. Die nächsten Monate werden damit vergehen, dass ein Lagerwahlkampf rund um das Präsidialamt entbrennt. Insofern war Gesine Schwan sehr klug beraten, aus dieser Tatsache eine offensive Strategie zu machen - und sofort zu erklären, dass sie auch um die Linken werben will.

Diesen Lagerwahlkampf ums Schloss Bellevue kann die große Koalition nur überstehen, weil sie sowieso längst zur Attrappe einer Regierung verkommen ist. Kaum eines ihrer großen Reformprojekte hat sie umgesetzt - und vielleicht war das auch gut so, wenn man an die Mehrwertsteuererhöhung als eine der wenigen Reformen denkt. Die große Koalition war kein Erfolgsmodell für Deutschland. Die Nominierung von Gesine Schwan zeigt, dass die SPD das verstanden hat.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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