Kommentar Griechenland: Zwei Jahre Krise verschwendet

Es war immer klar, dass Griechenland Hilfe bekommt. Ärgerlich ist vielmehr, dass jetzt nach zwei Jahren Finanzkrise die Spekulanten immer noch freie Hand haben.

Griechenland muss gerettet werden, so viel ist klar. Im Unterschied zu einer Privatinsolvenz kann man einen Euro-Staat nicht einfach pleite gehen lassen. Die Folgekosten eines unkontrollierten Bankrotts wären viel teurer als die Rettungsmaßnahmen. Da liegt die deutsche Regierung also richtig. Das war von Anfang an klar und ihr wahltaktisch begründetes Zögern hat die Sache nur dramatisiert. Ob die deutsche Finanzwirtschaft eine Milliarde zuschießt oder nicht und welche Bedingungen Griechenland genau erfüllt, sind wichtige Propagandaschritte gewesen, um das Ganze zu verkaufen.

Was einen als Steuerzahler sehr viel mehr ärgern sollte, ist die verlorene Zeit: Zwei Jahre dauert die Finanzkrise nun schon. Zwei Jahre hatten die Weltenlenker nun Zeit, sich auf sinnvolle Regeln für Börsengeschäfte zu einigen.

Was hörte man nicht alles für entschiedene Sprüche: "Finanzcasino eindämmen", "Heuschrecken", "internationale Abkommen".

Doch nichts Relevantes ist passiert. Das als Schattenbanken bezeichnete System von Hedgefonds, Währungshändlern, Über-Kreuz-Versicherern und Derivatebündlern ist in keiner Weise besser geregelt. Es gibt noch immer keine handhabbaren Meldepflichten, wer welche Risiken übernommen hat.

Selbst bei so öffentlichen Krediten wie griechischen Staatsanleihen springt die offizielle Statistik von einem Monat auf den anderen um 60 Milliarden Euro nach unten, weil sich eine Bank umgemeldet hat. Irre.

Und von einem Eindämmen der Spekulationsgeschäfte auf ein der Weltwirtschaft angemessenes Maß ist gar keine Rede mehr. Das Kapital ist ja ein ach so scheues Reh. Da muss man Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben lassen, da kann man keine Börsenhandelssteuer testen.

Auf dem Finanzsektor geht die EU und die USA vor solchen Supermächten wie den Kaimaninseln oder Singapur anstandslos in die Knie. Großbanken teilen, ein Insolvenzverfahren für Großeinheiten? Guter Gedanke, aber nach zwei Jahren noch nichts umgesetzt.

Dabei ist klar: Investmentbanker und ihre Kunden werden immer neue Wege erfinden, um Regelungen zu umgehen. Darauf muss man dann wieder reagieren und so weiter. Es ist wie ein Ping-pong-Spiel, an dessen Ende mehr Sicherheit vor durch Spekulationen ausgelösten Kursschocks steht.

Aber wer erst gar nicht den ersten Aufschlag macht, wird auch nicht herausfinden, was das Spiel bringt - und er wird dann auch wieder so erstaunt tun, wenn die nächste Pleite vor der Tür steht.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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