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Kommentar GriechenlandZwei Jahre Krise verschwendet

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Es war immer klar, dass Griechenland Hilfe bekommt. Ärgerlich ist vielmehr, dass jetzt nach zwei Jahren Finanzkrise die Spekulanten immer noch freie Hand haben.

G riechenland muss gerettet werden, so viel ist klar. Im Unterschied zu einer Privatinsolvenz kann man einen Euro-Staat nicht einfach pleite gehen lassen. Die Folgekosten eines unkontrollierten Bankrotts wären viel teurer als die Rettungsmaßnahmen. Da liegt die deutsche Regierung also richtig. Das war von Anfang an klar und ihr wahltaktisch begründetes Zögern hat die Sache nur dramatisiert. Ob die deutsche Finanzwirtschaft eine Milliarde zuschießt oder nicht und welche Bedingungen Griechenland genau erfüllt, sind wichtige Propagandaschritte gewesen, um das Ganze zu verkaufen.

Was einen als Steuerzahler sehr viel mehr ärgern sollte, ist die verlorene Zeit: Zwei Jahre dauert die Finanzkrise nun schon. Zwei Jahre hatten die Weltenlenker nun Zeit, sich auf sinnvolle Regeln für Börsengeschäfte zu einigen.

Was hörte man nicht alles für entschiedene Sprüche: "Finanzcasino eindämmen", "Heuschrecken", "internationale Abkommen".

Bild: taz

Reiner Metzger ist Vize-Chefredakteur der taz.

Doch nichts Relevantes ist passiert. Das als Schattenbanken bezeichnete System von Hedgefonds, Währungshändlern, Über-Kreuz-Versicherern und Derivatebündlern ist in keiner Weise besser geregelt. Es gibt noch immer keine handhabbaren Meldepflichten, wer welche Risiken übernommen hat.

Selbst bei so öffentlichen Krediten wie griechischen Staatsanleihen springt die offizielle Statistik von einem Monat auf den anderen um 60 Milliarden Euro nach unten, weil sich eine Bank umgemeldet hat. Irre.

Und von einem Eindämmen der Spekulationsgeschäfte auf ein der Weltwirtschaft angemessenes Maß ist gar keine Rede mehr. Das Kapital ist ja ein ach so scheues Reh. Da muss man Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben lassen, da kann man keine Börsenhandelssteuer testen.

Auf dem Finanzsektor geht die EU und die USA vor solchen Supermächten wie den Kaimaninseln oder Singapur anstandslos in die Knie. Großbanken teilen, ein Insolvenzverfahren für Großeinheiten? Guter Gedanke, aber nach zwei Jahren noch nichts umgesetzt.

Dabei ist klar: Investmentbanker und ihre Kunden werden immer neue Wege erfinden, um Regelungen zu umgehen. Darauf muss man dann wieder reagieren und so weiter. Es ist wie ein Ping-pong-Spiel, an dessen Ende mehr Sicherheit vor durch Spekulationen ausgelösten Kursschocks steht.

Aber wer erst gar nicht den ersten Aufschlag macht, wird auch nicht herausfinden, was das Spiel bringt - und er wird dann auch wieder so erstaunt tun, wenn die nächste Pleite vor der Tür steht.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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7 Kommentare

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  • H
    hto

    Die "Krise" ist nur ein logisches Symptom des "gesunden" Konkurrenzdenkens - technokratische Neurosen und Psychosen im Tanz um den heißen Brei.

     

    Die ständigen zeitgeistlich-reformistischen Wiederholungen sind zum Kotzen.

  • H
    hto

    Solange ihr in "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" denkt / funktioniert, wird sich nichts in Richtung wahrhaftiger Vernunft ändern / ist jede Diskussion nur Blödsinn für die Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll - eine Welt- und Werteordnung OHNE Steuern, OHNE "Sozial"-Versicherungen, usw., ist absolut machbar.

  • M
    monsees

    Werte Freunde der aufgeblasenen Staatshaushalte, schematischen Wirtschaftstheorie und eilenden Regelungsbehörden. Natürlich ärgert es mich als Steuerzahler sehr, dass das letzte 100-Milliarden-Schmeißen in Löcher, deren Entstehung von unserer Bundesfinanzaufsicht so hervorragend regelungseifrig begleitet wurde, schon wieder einige Monate zurückliegt. Das Schmeißen in neue Löcher muss wirklich schneller gehen.

  • ZJ
    Zoltan Jana

    Was ih Pepitum angeht, endlich regulieren, haben Sie einfach nur recht, Herr Metzger. Aber was hat es mit den 60 verschwundenen Milliarden auf sich. Habe ich nicht verstanden.

  • S
    Sim

    "Die Folgekosten eines unkontrollierten Bankrotts wären viel teurer als die Rettungsmaßnahmen."

     

    Wie hoch wären denn die Folgekosten gewesen und wieviel kostet die Rettungsmaßnahme?

     

    Fakt ist doch, niemand weiß, wie teuer die Rettungsmaßnahme wird. Es weiß auch niemand, wie hoch die Folgekosten eines Bankrotts gewesen wäre. Fest steht auch, dass bei einem Bankrott Griechenlands erstens die Kosten zunächst nicht die europäischen Steuerzahler getroffen hätte und zweitens Griechenland in Zukunft mit einem weitestegehend ausgeglichenem Haushalt operieren müsste. Drittens hätten auch Spanien, Irland, Italien und Portugal einen sehr starken Sparanreiz gehabt.

     

    Ja, europäischen Staaten wäre es dann in Zukunft schwerer gefallen, von Schulden zu leben. Die Banken würden nicht automatisch Deutschland und Frankreich als zahlungskräftige Bürgen betrachten, sondern vor dem Kauf von Staatsanleihen besser prüfen, wie es um das Land steht. Und genau das wäre auch richtig so.

     

    Wir regen uns einerseits darüber auf, dass Banken in der Immobilienkrise ungeprüft Kredite vergeben haben und noch immer nichts aus der Krise gelernt sei. Diese Praxis gibt es aber auch bei der Staatsfinanzierung, mit der "Rettung" Griechenlands wird sie weiter gefördert. Gerettet werden soll damit aber wohl auch nicht in erster Linie Griechenland, sondern die Politiker, die gern mehr versprechen, als sich das Land leisten kann. Es wär doch schrecklich, wenn Politiker plötzlich Wahlversprechen nicht erfüllen könnten, vielleicht sogar Einsparungen verkünden müssten, nur weil kein Geld mehr da ist.

     

    Kurzfristig wird das Rettungspaket Überschuldungssysmptome lindern. Langfristig aber werden europaweit den zukünftigen Generationen immer mehr Schulden aufgebürdet, verschärft sich die Schuldenkrise für diese immer weiter.Die größten Kosten des Rettungspakets werden so nicht die 150 Milliarden, die Griechenland kriegt. Die wahren Kosten werden erst sichtbar, wenn Europa insgesamt überschuldet ist und es niemanden mehr gibt, der helfen kann, die Folgen des Bankrotts zu lindern.

  • H
    hto

    "Griechenland muss gerettet werden, so viel ist klar."

     

    Wer so'n Satz konstruiert, der ist von Klarheit systemrational weit weg!?

  • S
    Schulden

    Auch wenn ich Ihre Kritik am Gebahren der Banken teile, scheinen mir viele Antworten einfach zu populistisch.

    Die Krise der Griechen liegt in ihrem Staatsdefizit. Wer die Finanzmärkte benutzt, um seinen Ausgabenüberschuss immer mehr auszuweiten, darf sich nicht wundern, wenn er sich plötzlich in Abhängigkeit dieser Märkte befindet.

    Die Banken waren den Griechen gut genug, als es darum ging, teure Wahlversprechen zu finanzieren, jetzt gelten die Banken plötzlich als die Ursache des Übels.

    Bei aller berechtigter Bankenkritik, müssen wir Bürger trotzdem merken, dass uns die Politik dieses Feindbild verkaufen will, um von den eigenen Unzulänglichkeiten als Verteilungspolitiker abzulenken.