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Kommentar GorlebenRöttgens auffällige Verlogenheit

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Röttgen behauptet, er wolle dafür sorgen, dass das weitere Verfahren transparent, ergebnisoffen und unideologisch sein wird. Nichts daran stimmt.

S o leicht kann man es sich machen, wenn man nur dreist genug ist: Bundesumweltminister Norbert Röttgen erklärt jeden, der Vorbehalte gegen Gorleben als Atommüllendlager hat, zum verantwortungslosen Feigling. Er selbst hingegen, so versichert der CDU-Mann, will dafür sorgen, dass das weitere Verfahren transparent, ergebnisoffen und unideologisch sein wird. Nichts daran stimmt - dabei würde man ihm gerne glauben.

Denn völlig unabhängig von der Haltung zur weiteren Atomkraftnutzung wird ein Endlager gebraucht - und zwar das beste, das zu finden ist. Doch leider deutet nichts darauf hin, dass es so kommt. Transparent wird das Verfahren nicht. Denn indem der völlig überholte Betriebsplan aus dem Jahr 1983 einfach verlängert wird, umgeht Röttgen die verbindliche Beteiligung der Öffentlichkeit, die bei einem neuen Antrag zwingend vorgeschrieben wäre.

Die angekündigten freiwilligen Informationen und eine völlig unverbindliche Expertengruppe sind dafür kein Ersatz. Auch dass das Ergebnis offen ist, darf bezweifelt werden. Wenn im Ministerium ernsthaft mit der Möglichkeit eines negativen Urteils gerechnet würde, müsste man schon jetzt auch alternative Standorte prüfen - was nicht passiert.

Bild: taz

Malte Kreuzfeldt ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt bei der taz.

Und wie viel die versprochene Ideologiefreiheit wert ist, zeigt das offene Misstrauen des Ministeriums gegen das ihm unterstellte Bundesamt für Strahlenschutz. Die Forderung von dessen Experten, alternative Standorte zu erkunden, wird nicht nur ignoriert. Vielmehr wird angesichts der kritischen Haltung offenbar darüber nachgedacht, das Amt zu entmachten.

Als Trost bleibt nur eins: Bis in Gorleben tatsächlich Atommüll eingelagert werden könnte, wird es noch einige Gerichtsverfahren geben - und einige Bundestagswahlen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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4 Kommentare

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  • F
    fupsi

    Es amüsiert mich köstlich, daß ausgerechnet ein Redakteur der TAZ vorhält Herr Röttgen sei ideologisch.

    Oder meinten Sie die GRÜNE Ideologie.

    Auch da ist er wohl pragmatisch und hat in nicht allzu weiter Ferne eine Karriere als Bundeskanzler einer

    SCHWARZGRÜNEN Koalition im Auge.

    Daß ich hier unten das Wort "gras" eingeben soll, bringt mich auf etwas abwegige Gedanken....

  • L
    Lulu

    Sehr geehrter Herr Ingenieur,

     

    "[...] Macht wieder von der Mitte der Gesellschaft [...]"

     

    Achso, die Mitte der Gesellschaft = Die Industriellen und ihre politischen Lakaien zusammen mit den 20% "Besserverdienern" ?

     

    Und was Angstszenarien angeht, da sind ja die Damen und Herren der CDU weitaus versierter als jede linke Politik jemals sein könnte. Siehe Schäuble & Konsorten.

    Und ihre Hypothesen, welche suggerieren könnten, Gorleben könnte ein sicherer Standort sein, die lassen Sie mal besser auch gleich außen vor.

     

    Schlage für Sie vor: Sobald in Gorleben richtig eingelagert wird, bauen Sie sich dort ein Haus. Am besten obendrauf.

    Damit könnten Sie Ihre blauäugige Verbundenheit zu den oberen 10.000 sicherlich am besten demonstrieren anstatt hier abstruse Thesen aufzuwerfen.

     

    P.S : Lieber (Öko)-Sozialismus als Raubtierkapitalismus.

     

    Schönen Tag.

  • K
    Klaus

    Warum sollte sich Röttgen bei seinen Entscheidungen auf das Urteil eines rot-gruen infizierten Bundesamts stützen? Manchmal bekommt man das Gefühl, Herr Kreutzfeldt hielte seine Leser für dümmer als sie sind, oder er vergißt in seinem Ökoglaubenseifer alle naheliegenden irdischen Überlegungen.

  • I
    Ingenieur

    Das Märchen vom best möglichen wird noch immer verbreitet. NEIN, es muss ein geeignetes Endlager gefunden werden. Das best mögliche ist nämlich mit der unendlichen Anzahl möglicher Standorte und damit mit der unendlichen Suche, also gar keine Lösung, verbunden.

    Und warum haben denn alle GRÜNEN und sonstige Technikfeinde solche Angst vor der Erkundung? Könnte es sein, dass Gorleben tatsächlich geeignet sein könnte? Dies wäre natürlich der SUPER-GAU für alle Kernkraftgegener: Eine wesentliche Säule Ihres Angstszenarios würde zusammen brechen.

    Denn in Wirklichkeit geht es doch nur um Angst, die nur die heilsbringenden Guten Kräfte der Linken Gesellschaft wirklich bannen können. Nur so kann die Macht wieder von der Mitte der Gesellschaft entrissen werden.

    Es lebe der (Öko)-Sozialismus.