Kommentar Gesundheitsakten bei Lidl: Das Gute an den Datenskandalen
Lidl, Telekom, Bahn, Airbus - Datenschutzskandale häufen sich. Aber zumindest regt man sich wieder darüber auf. Und ist sensibilisiert für Überwachungswünsche von Schäuble und Co.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der Taz.
Mal wieder Lidl. Der Discounter hat systematisch Krankheiten seiner Beschäftigten erfasst. Das war illegal. Zwar muss ein Arbeitnehmer, wenn er länger als drei Tage krank ist, dem Arbeitgeber per Attest die Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Es geht das Unternehmen aber nichts an, welche Krankheit der Beschäftigte hat.
Lidl nun hat bis vor kurzem Formulare verwendet, in die die Vorgesetzten auch den "Grund der Krankheit" eintragen mussten. Sie mussten also die Mitarbeiter oder deren Kollegen ausfragen, um Informationen zu bekommen, die sie nichts angehen. Es ist anzunehmen, dass diese Informationen dann illegal gespeichert wurden. Und es setzt dem Ganzen die Krone auf, wenn solche heiklen Informationen später sogar publik werden.
Lidl, Telekom, Deutsche Bahn, Airbus - die Datenschutzskandale häufen sich. Wird also alles immer schlimmer? Nein. Viele der Vorfälle liegen Jahre zurück und rühren aus einer Zeit, also solche Machenschaften noch achselzuckend hingenommen wurden. Inzwischen haben sich aber die Maßstäbe der öffentlichen Moral verändert. Die illegale Ausspähung der eigenen Mitarbeiter gilt heute als skandalwürdig. Dass nun ständig neue derartige Skandale bekannt werden, ist also Ausdruck eines gesellschaftlichen Fortschritts und kein Zeichen des Niedergangs.
Woher aber rührt die gesteigerte Sensibilität? Zum einen haben die Überwachungswünsche von Innenminister Schäuble und Co den Datenschutz wieder relevant gemacht. Außerdem hat der
Diebstahl von Kundendaten und das Fingieren von Verträgen in Callcentern viele Menschen aufgerüttelt.
Brauchen wir neue Datenschutzgesetze? Teilweise ja. Gerade beim Arbeitnehmer-Datenschutz wäre sicher manche Präzisierung hilfreich. Fälle wie bei Lidl sind aber heute schon eindeutig illegal. Hier sind Sanktionen der Datenschutzbehörden fällig - und eine Reaktion der Verbraucher. Wer von seinem Arbeitgeber nicht behandelt werden will wie die Beschäftigten von Lidl, sollte dort als Kunde erst mal wegbleiben. CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Pläne für Gaza
Ankündigung eines Jahrhundertverbrechens
Bildungsmesse Didacta
Der AfD keine Bühne geben
Wohnungsnot in Deutschland
Bauen bleibt Luxus
Energieversorgung in Deutschland
Danke, Ampel!
Merkel kritisiert Merz erneut
Ex-Kanzlerin unterschreibt „Oma-gegen-Rechts“-taz
Nach massiver internationaler Kritik
US-Regierung relativiert Trumps Gaza-Pläne