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Kommentar GeschlechtergerechtigkeitFrischer Wind für die Quote

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Unionsfrauen fordern für die Abstimmung über die Quote die Aufhebung des Fraktionszwangs. Die Debatte hat einen Höhepunkt erreicht.

E s ist eine kleine Revolution: Jetzt haben die Unionsfrauen auch noch die Aufhebung des Fraktionszwangs für Parlamentarier gefordert, wenn der Bundestag demnächst die umstrittene Frauenquote behandelt. Nachdem schon der Bundesrat für gesetzliche Vorgaben für einen größeren weiblichen Anteil in Aufsichtsräten gestimmt hat, gehen die Frauen jetzt in die Vollen. Das hat Charme. Wird es auch Erfolg haben?

Das ist fraglich. CSU und FDP lehnen eine „gesetzlich fixierte Zwangsquote“ nach wie vor ab. Auch wenn die Fraktionen klein sind, so haben sie an mancher Stelle eine ungeheure Macht. Ein Stichwort hier ist das Betreuungsgeld: Eine breite Mehrheit der Bevölkerung lehnt es ab, Wissenschaftler haben es als kontraproduktiv bewertet, aber es kommt trotzdem – dank der CSU.

Ein anderes Stichwort wäre die Zuschussrente. Ihre Idee musste Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), bevor sie dafür in den eigenen Reihen angegriffen wurde, zunächst vor allem gegen die FDP verteidigen.

Bild: privat
SIMONE SCHMOLLACK

ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.

Nun gibt es auch innerhalb der CSU und der FDP einige Frauen, die auf eine gesetzliche Quote für Spitzenämter in DAX-Unternehmen pochen. Aber sie haben – unter „normalen“ Bedingungen – im Bundestag keine Chance. Bei freier Abstimmung im Parlament hingegen könnte durchaus eine Mehrheit für eine Gesetzesinitiative zusammenkommen. Wenn da nicht eine weitere Hürde wäre: Kann der Fraktionszwang für eine Entscheidung über die Frauenquote so ohne Weiteres aufgehoben werden?

Hier geht es nicht um eine ethisch-moralische Frage wie etwa bei der Abtreibung, bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) oder bei der Sterbehilfe, sondern eindeutig um Sachverstand. Für oder gegen mehr Frauen an der Spitze zu sein ist kein Gewissenskonflikt, sondern ein politisches Statement.

Unabhängig davon, was im Bundestag passieren wird, eines ist erneut deutlich geworden: Die Debatte über Geschlechtergerechtigkeit hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Sie lässt sich nicht mehr zurückdrehen, und sie bringt frischen Wind in den ansonsten festgefahrenen Parlamentsalltag, wenn es um die Quote geht.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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11 Kommentare

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  • L
    Lars

    Unabhängig von den vielen (rechten) und unreflektierten Kommentaren vor meinem, schreibe ich etwas mit Substanz:

     

    "Kann der Fraktionszwang für eine Entscheidung über die Frauenquote so ohne Weiteres aufgehoben werden?"

     

    Es gibt keinen Fraktionszwang. Weder im Grundgesetz, noch in der Geschäftsordnung des Bundestages etc.

    Theoretisch kann jede_r Abgeordnete frei abstimmen ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen - außer Kritik aus den eigenen Reihen und vielleicht eine schlechtere Platzierung auf der Parteiliste bei der nächsten Bundestagswahl. Wär echt mal eine schöne Überraschung, wenn sich die Frauen der CDU durchsetzen könnten.

     

    An viele meiner Vorredner (ich denke, dass das größtenteils Männer sind - deshalb nicht gegendert):

     

    Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

  • F
    Franzie

    Sobald die Anzahl der im Krieg gefallenen Deutschen Soldatinnen der Anzahl der im Krieg gefallenen Deutschen Soldaten entspricht, kann die Quote gerne kommen, denn dann wäre sie tatsächlich ein Zeichen der Gleichberechtigung. Vorher wäre sie jedoch nur eine kapitalistische Idee rechtsradikaler Menschenhasser wie Simone "Ich hasse Kristina Schröder" Schmollack.

  • A
    anke

    Aha. Eine "kleine Revolution" ist es und "Charme" hat es also, wenn "die Unionsfrauen" (wirklich alle Unionsfrauen?) öffentlich fordern, dass etwas, was verfassungswidrig wäre, ausnahmsweise mal nicht praktiziert wird von der Unions-Fraktionsführung. Nun – dann ist ja wohl davon auszugehen, dass die Unionsfraktion es auch sonst nicht all zu genau nimmt mit dem Grundgesetz. Vielleicht sollte der Verfassungsschutz ja doch mal die Klappe vom rechten Auge nehmen. Gleich, wenn er mal nicht die Linke bespitzeln oder Nazi-Opfer kriminalisieren muss, meine ich.

     

    Und nun mal ernsthaft: Ich frage mich, wovor Herr Kauder, seine 15 männlichen und 3 (!) weiblichen Vorstands-Kollegen sich eigentlich fürchten. Glauben sie wirklich, dass Friede Springer oder sonst eine jener paar Damen, die es sich leisten könnten, die Stimmen irgend welcher CDU-/CSU-Abgeordneten kaufen würde? Wenn ja – wieso? Ich meine: Das haben die Ladys doch gar nicht nötig. Erstens sind ihre Männer längst tot oder debil, und zweitens macht die Union doch sowieso, was "die Wirtschaft" will. Selbst dann noch, wenn sie dabei draufzahlt. Ganz ohne Zwang natürlich. Vermutlich also aus reiner Dummheit.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Warum nur bei Aufsichtsräten? Warum keine allgemeine 30%-Quote für alle Berufsgruppen (soll heißen: in jedem Beruf muss der Anteil eines Geschlechts 30% betragen). Das würde in Aufsichtsräten weiterhelfen, aber auch bei Straßenbauarbeiten, in Kindergärten und bei Altenpflegern.

     

    Überhaupt: warum sieht man so wenige Frauen als Maurer? Und so wenig Männer als Erzieher im Kindergarten?

  • RH
    robert huerten

    Die Diskussion um die Anzahl der Frauen in den Aufsichtsräten der wenigen Großunternehmen ist eine geschickte Ablenkung von den eigentlichen Problemen der Frauen in der Wirtschaft. Der Austausch der Männer durch Frauen im Aufsichtrat wird den Unternehmen keinen Euro zusätzlich kosten.

     

    Der Gesamtheit der Frauen wäre mehr geholfen, wenn gleicher Lohn bei gleichee Arbeit für Männer und Frauen gezahlt würde und der 20 prozentige Abstand bei Löhnen und Gehälter entlich verschwinden würde.

     

    Darüber wird nicht lautstark diskutiert, denn dies kostet der Wirtschaft viel Geld.

     

    robert huerten

  • B
    Bob

    Schon toll wie man die Quote und das Thema Gleichberechtigung in zusammenhang bringt wobei dies natürlich schon ein widerspruch in sich ist... -.-...

  • V
    viccy

    @ Kimme

    Du als Experte hältst gewiss auch Frauenparkplätze für einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes.

     

    Dieser Artikel gebietet mitnichten völlige Gleichbehandlung, sondern nur die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Aber Frau und Mann sind doch wesentlich gleich, höre ich es schallen. Ja ja, aber wenn sie eklatant ungleich vertreten sind in der Wirtschaft, kann aus dem Abwehrrecht des Artikel 3 eine Schutzpflicht des Staates erwachsen, bestehende Ungleichheiten auszuräumen.

     

    Gewährleistungsgehalte von Grundrechten, nennen das die Experten.

     

    Ich bin aus einem ganz anderen Grund gegen Quoten. Die Frauen, die dort dann auflaufen, in den Vorstandsetagen usw., sind allenfalls noch biologisch Frau (Brüste, Vagina). Alles andere an Weiblichkeit ist weggemerzt, die Ellenbogen haben schon Hornhäute vom Männer-Wegstoßen. Heiß laufen die Tränen dann erst, wenn Anfang 50 das große Haus mit Pool in guter Lage das kinderlose Single-Dasein nicht mehr kompensieren kann. Aber das wäre wieder ein anderes Thema.

  • J
    Jörn

    Betreuungsgeld und Quote werden beide von der Mehrheit der BundesbürgerInnen abgelehnt. Von daher ist der Kampf für die Quote und gegen das Betreuungsgeld sicher nicht vergleichbar.

    Fraktionszwang ist nie gut und eigentlich verfassungswidrig. Im Sinne der Demokratie ist daher die Aufhebung des Fraktionszwanges genauso zu begrüssen wie das Scheitern der von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten Quote.

    Wie absurd die Argumentationen der Quotenbefürworterinnen werden lässt sich am Beispiel des NDR sehen. Dort wird für Frauen eine 50% Quote gefordert, bei Männern aber eine 30% Quote abgelehnt.

  • M
    Maria

    Seit wann ist Abtreibung eine ethisch-moralische Frage? Pro choice!

  • A
    A.b.c.

    Alkohol zerstört die Soziale Gesselschaft und ist somit der größte feind des Feminismus.

     

    Endorhine machen Glücklich .

    Alkohol macht unglücklich ( Heulendes Elend ,Korsakov etc .) .

  • K
    Kimme

    Es ist immer schön zu sehen, wenn sich hier Möchtegern-Experten/-innen zu etwas äußern, um selbst Politik zu machen.

    1. Einen Fraktionszwang gibt es nicht, höchstens eine Fraktionsdisziplin. Denn jede/-r Abgeordnete "ist an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

    2. Ist es unglaublich, wie weite Teile der Politiker ein Gesetz einführen wollen, was den elemtarsten Grundlagen des Deutschen Grundgsetzes widerspricht und ein Verfassungsbruch ist. Schließlich verstößt die Frauenquote gleich gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes, zum einen dem Diskriminierungsverbot und zweitens dem Schutz der unternehmerischen Freiheit. Skandalös bei der ganzen Sache ist, dass dies noch von weiten Teilen der Linken Presse bejubelt wird. Der Verlauf dieses geplanten Verfassungsbruches und dem einhergehenden Jubel von Presse und einem kleinen Teil der Bevölkerung erinnert auf perfide Art und Weise an 1933.

    Da frag ich mich doch, ob ich als Mann bald Berufsverbot für Stellen mit Gehältern über 3.000 Euro Brutto befürchten und einen gelben Stern auf meiner Brust tragen muss?