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Kommentar GeorgienKonflikte und Missverständnisse

Kommentar von Daniela Weingärtner

Die EU-Experten können ihren eigentlichen Auftrag, den russischen Abzug aus der Pufferzone innerhalb von zehn Tagen zu überwachen, womöglich nicht erfüllen.

Die EU hat ihre Zusage eingehalten und innerhalb von wenigen Tagen 300 zivile Beobachter nach Georgien entsandt. Was von militärischen Fachleuten als enorme logistische Herausforderung beschrieben worden war, hat funktioniert: Pünktlich zum 1. Oktober sind die zugesagten Experten, gepanzerte Fahrzeuge und andere wichtige Ausrüstungsgegenstände vor Ort. Damit zeigt sich die Union einig, handlungsfähig und effizient - das ist die gute Nachricht.

Doch andere Meldungen stimmen weniger froh. Die geplante Kaukasus-Konferenz Mitte Oktober in Genf wurde zum Expertentreffen heruntergestuft. Begründung: Die französische Ratspräsidentschaft und der russische Außenminister können sich nicht einigen, was der vage formulierte Sechs-Punkte-Plan zum Waffenstillstand den Beteiligten in der Praxis abverlangt. Dieser Streit war vorauszusehen, denn ein Abkommen zwischen Georgien und Russland kam überhaupt nur zustande, weil es beiden Kriegsparteien Spielraum für Interpretationen ließ. Die Arbeit der EU-Beobachter wird durch diese unpräzise Vertragsgrundlage aber schwieriger und gefährlicher. Offiziell müssen sie auf dem Anspruch beharren, ihre Arbeit auch in den abgespaltenen Republiken Abchasien und Südossetien zu tun. In der Praxis werden sie sich auf georgisches Kernland beschränken. Doch auch dort sind Konflikte und Missverständnisse mit abziehenden russischen Soldaten nicht auszuschließen. Gestern meldete Interfax, auch die Pufferzone sei für die EU-Mission tabu. Mit der europäischen Seite sei vereinbart, dass die Experten nur bis zu deren südlicher Grenze patrouillieren.

Sollte sich diese Meldung bestätigen, wäre die ganze Unternehmung ad absurdum geführt. Dann könnten die EU-Experten ihren eigentlichen Auftrag, den russischen Abzug aus der Pufferzone innerhalb von zehn Tagen zu überwachen, nicht erfüllen. Im Umfeld des EU-Außenvertreters Solana wird betont, der Chef der Mission, der deutsche Diplomat Hansjörg Haber, spreche fließend Russisch. Wenn die Russen nicht mit sich reden lassen, wird das wenig helfen. DANIELA WEINGÄRTNER

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2 Kommentare

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  • HB
    Holger Brink

    Der 6-Punkte-Plan war zwar vage, aber eines war klar: Russische Soldaten haben mindestens das georgische Kernland und damit auch die sogenannten "Pufferzonen" vollständig zu verlassen. Dass dies die russische Seite nun wieder in Zweifel zieht, offenbart die unehrenhaften Absichten, die der Kreml verfolgt.

     

    Die Annexion der georgischen Region Zchinwali (sogenanntes Südossetien) war lange vor dem Waffengang im August beschlossene Sache, wie der ehemalige Kreml-Berater Illiaronow kürzlich bestätigte. Entsprechende Gesetzesvorlagen geisterten auch schon nachweislich seit 2004 durch die DUMA.

    Und zur Zementierung des militärisch geschaffenen Status Quo verfolgt man in den russisch besetzten bzw. anerkannten Gebieten die Politik der "uniethnisierung". Human Rights Watch und Amnesty International haben dies wiederholt beklagt.

  • RB
    Ralph Bohr

    Steht zu beführchten,dass Russen, Osseten und Abchasen noch viel mehr zu verbergen haben, als man sich vorstellen kann? Ist das was man vor Ort sehen könnte, womöglich schlimmer als das, was in der georgischen Presse zu lesen ist und was georgische Politiker äußern? Andernfalls sollte Russland und seinen Freunden doch daran gelegen sein, sich die Möglichkeit nicht entgehen zu lassen, den EU-Beobachtern vor Ort die eigene Sicht der Dinge darzulegen.