Kommentar Geldbeschaffung der CDU: Fast schon Prostitution
Die politischen Schamschwellen der Konservativen sinken wie die moralischen Skrupel: Berlusconi bucht schon Gespielinnen, Rüttgers und Tillich sind dabei, sich an Sponsoren zu vermieten.
Geldsorgen von Parteien sind nichts Neues. Graf Lambsdorff von der FDP wurde für seine Praktiken bei der Geldbeschaffung rechtskräftig verurteilt. Eine FDP-Spezialität war die illegale Geldbeschaffung nicht, doch immerhin waren die anderen so schlau, sich nicht erwischen zu lassen.
Das CDU-Geschäftsmodell beruht, wie die Ereignisse in Nordrhein-Westfalen und Sachsen zeigen, auf einer rigorosen Vermarktung von Personen ohne Rücksicht auf moralische Verluste. Für Marx war die Welt eine "ungeheure Warensammlung", und für die CDU gehören auch die Politiker dazu. Deshalb verkauft sie jetzt Gespräche und Fototermine mit Ministerpräsidenten. Die Sachsen-CDU bietet Tillich wie in einem Callgirlkatalog in vier Preislagen zwischen 500 und 8.000 Euro an, beschönigend nennt man die Arten, den Ministerpräsidenten für ordinäre Geschäftszwecke zu benutzen, "Präsentationsstufen".
"Geld stinkt nicht", antwortete Kaiser Vespasian seinen Kritikern, die sich daran stießen, dass er die Staatskasse mit einer Latrinensteuer füllte. Angesichts des CDU-Verkaufskatalogs, kann man sogar Westerwelles "spätrömischer Dekadenz" etwas abgewinnen: Der Respekt der konservativen Elite vor ihrem eigenen Personal und vor der Demokratie zerbröselt so rapide, dass man den Amtsträgern bereits ein Preisschild um den Hals hängt wie den Waren im Schaufenster. Man könnte derlei eine spätrömische Degenerationserscheinung nennen.
Die politischen Schamschwellen der Konservativen sinken wie die moralischen Skrupel: Berlusconi bucht schon Gespielinnen, Rüttgers und Tillich sind noch dabei, sich an Sponsoren zu vermieten wie Plakatwände und Litfaßsäulen. Und beide können damit rechnen, dass Wähler und Publikum diese Geldbeschaffungsmaßnahmen schnell vergessen werden.
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