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Kommentar Geißlers SpruchMagisches Denken

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Geißlers Kritiker tun so, als würde bestimmten Wörtern per se etwas Böses innewohnen - weshalb man sie nie aussprechen sollte. Doch ist das Denken dahinter entscheidend.

H einer Geißler ist ein alter Fuchs. Erst mimte er ein paar Tage lang die ahnungslose Unschuld. Nun endlich gibt er zu, dass es sich bei seinem Goebbels-Zitat vom "totalen Krieg" nicht um eine zufällige Entgleisung handelte - sondern dass er die Formulierung am vergangenen Freitag bewusst gewählt hat, um die Konfliktparteien zum Einlenken über "Stuttgart 21" zu bewegen. Fraglich, ob ihm das mit seiner provokanten Überspitzung gelungen ist. Aber damit könnte man es nun gut sein lassen.

Ein wenig erinnert die Empörung, die Geißler mit seinem Einwurf in einigen Medien ausgelöst hat, an die Aufregung um die ZDF-Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein. Die hatte bei der letzten Fußball-WM gemutmaßt, der Torschütze Miroslav Klose müsse jetzt wohl einen "inneren Reichsparteitag" empfinden. Anders als sie wählte Geißler seine Worte aber mit Kalkül - und legt so die Logik deutscher Empörungsrituale bloß.

Besonders bigott ist die Kritik der Bild-Zeitung. Die feiert bis heute einen ehemaligen Vorstand der Bundesbank als "Tabubrecher", obwohl der mit Thesen hausieren geht, deren Nähe zu den Rassentheorien und der Mutterkreuz-Ideologie der Nazis ins Auge sticht. Aber über Geißlers Goebbels-Zitat empört sie sich nun.

taz
Daniel Bax

ist Redakteur im taz-Meinungsressort.

Aus solcher Kritik spricht magisches Denken - als würde bestimmten Wörtern per se etwas Böses innewohnen und es ließe sich bannen, indem man sie nicht ausspricht. Doch Formulierungen wie "Wollt ihr den totalen Krieg?" und wie "innerer Reichsparteitag" gehören nun einmal zum deutschen Wortschatz. Es kommt darauf an, mit welcher Intention und in welchem Zusammenhang man sie benutzt - und es ist völlig absurd, einem Heiner Geißler vorzuwerfen, er hätte die Verbrechen der Nazis relativieren wollen. Wichtiger als Worte ist das Denken, das hinter ihnen steckt.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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9 Kommentare

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  • H
    hto

    "Wichtiger als Worte ist das Denken, das hinter ihnen steckt."

     

    - bei Geißler ist es die INTRIGANZ / das Blendwerk des "gesunden" Konkurrenzdenkens im "freiheitlichen" Wettbewerb um ...!?

  • D
    Dilemmata

    @Roman Czyborra:

    Gut, das ist jetzt geklärt aber was machen wir nun mit "Autobahn"?

  • B
    Bart

    Die Aussage des Kommentars ist natürlich einleuchtend und richtig: Worte sind nicht böse, sondern höchstens die Intention, die hinter ihrer Artikulation steckt. Aber was mich wirklich nervt ist, dass scheinbar immer noch Leute für diesen Sarrazin einsetzen müssen bzw. glauben, den in Schutz nehmen zu müssen! Volksverdummend ist eher: selber nur Schlagworte rauszuposaunen, Argumente fordern ohne selbst welche zu liefern und - wenn es mal hart auf hart kommt - der Versuch sich rauszureden, wo es nur geht ("Ich habe doch nur geschrieben, dass vor allem deutsche Frauen viele Kinder kriegen sollten - das hat nichts mit Mutterkreuz-Ideologie zu tun - und natürlich wird man das doch wohl noch" usw usf etc pp)

    Leküretipp in diesem Zusammenhang: "Blödmaschinen" - da werden Strategien der Verdummung aufgezeigt, und das nicht nur bei BILD, sondern auch von BILD-Kritikern, die es sich allzu leicht machen - und somit letztlich ähnliche Instrumente wie deren vermeintliche Gegenseite benutzen.

  • M
    Muzi

    "...deren Nähe zu den Rassentheorien und der Mutterkreuz-Ideologie der Nazis ins Auge sticht...". Sarrazin, der ist echt an allem schuld. da hat einer Sarrazin nicht gelesen. Was hier gesagt wurde, sollte aber endlich bewiesen werden. Oder aber Mund halten.Sonst hat es lediglich den Status der Volksverdummung.

  • V
    vic

    Da sagen Sie was, Herr Bax.

    Kürzlich erklärte ich meiner Mutter die Bedeutung der Eier-Kennzeichnung.

    Und ich habs getan. Ich habe das böse Wort Hühner-KZ ausgespochen.

    Unbewusst, aber absichtlich.

     

    Wir werden noch erleben was Geißler beschreiben wollte. In Stuttgart ist jetzt wieder Feuer Frei angesagt.

  • C
    Curt

    Ein im gegenwärtigen Mediengeschnatter wohltuend präziser und treffender Kommentar.

  • RC
    Roman Czyborra

    Goebbels wollte auf die Frage nach dem totalen Krieg ein Ja als Antwort, Geißler ein Nein, allein das sollte genügen, um seine Unschuld zu beweisen.

  • HD
    Herr Dr

    Bei Interesse:

     

    http://www.petitiononline.de/petition/heiner-geissler-zitat-zu-s21-konflikt/499

     

    Eine Petition, die einen unaufgeregteren Umgang der Medien und Politik mit diesem Zitat fordert und zur Solidaritätsbekundung mit Herrn Geißler.

  • PP
    Peter Pan

    Richtig!!!