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Kommentar GeheimdienstberichtBlaues Auge für Hillary

Kommentar von Adrienne Woltersdorf

Die Geheimdienste haben mit ihrem Iran-Bericht Kriegspläne zunichte gemacht - aber auch Hillary Clinton einen Bärendienst erwiesen.

E s kommt nicht oft vor, dass der Präsident der "Islamischen Republik" Iran die US-Geheimdienste lobt. Und es gibt meist wenig Grund, ausgerechnet Ahmadinedschad beizupflichten. Doch zu der überraschenden Veröffentlichung des neuen Berichts der 16 US-Geheimdienste zur Lage des Atomprogramms im Iran möchte man den US-Agenten ausnahmsweise einmal gratulieren. Denn mit ihrem Bericht über Teherans Atomprojekt haben sie allen Washingtoner Kriegsplänen gegen den Iran über Nacht den Boden entzogen.

Bild: taz

ADRIENNE WOLTERSDORF ist USA-Korrespondentin der taz.

Unklar ist, ob die Einschätzung, dass der Iran schon vor vier Jahren sein Atomprogramm auf Eis legte, nun ein bewusster "Coup" war, um US-Präsident George W. Bush bloßzustellen. Oder war es eine geschickt eingefädelte Rebellion der "Vernünftigen" um den ehemaligen CIA-Chef und heutigen Verteidigungsminister Bob Gates? Sicher ist, dass die Dienste mit ihrem Bericht den "Falken" und kriegsgeilen Neocons um Vizepräsident Dick Cheney erst mal das Wasser abgegraben haben. Und das, obgleich ihr Bericht nichts anderes darlegt, als was die Wiener Atombehörde seit Jahren sagt.

Der Bericht hat Auswirkungen auf den Vorwahlkampf in den USA. Er spaltet die Nation - wobei der Spalt quer durch beide Parteien verläuft und sowohl den US-Kongress wie auch die Präsidentschaftsbewerber in zwei Lager teilt: In diejenigen wie Hillary Clinton und Rudy Giuliani, die für eine isolationistische Politik der Stärke und der "Supermacht" sind. Und andere wie vor allem John Edwards, die sich für Diplomatie und eine Rückkehr in den Kreis der Verbündeten aussprechen.

Die Falken im Kongress haben bereits einen Untersuchungsausschuss beantragt, um den Bericht auf seine ideologischen und politischen Schlagseiten hin abzuklopfen. Und Demokraten wie Hillary Clinton sind erst einmal still geworden. Clinton hatte - aus Angst, zu weich und unpatriotisch zu wirken - mit Blick auf den Iran stets nach Bombern und Raketen gerufen. Doch ihrer Popularität dürfte das vorerst keinen Abbruch tun. Zu ihrem Glück ist die US-Öffentlichkeit noch mit anderen Fragen beschäftigt: Der US-Vorwahlkampf dreht sich vorwiegend um Fragen des Immigrationswesens und der Krankenversicherung.

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