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Kommentar GefangenenaustauschIsrael zahlt zu hohen Preis

Kommentar von Susanne Knaul

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat durch den Gefangenenaustausch sein Ziel erreicht. Israel wird durch den ungleichen Handel verwundbarer.

Bild: taz

Susanne Knaul ist Israel-Korrespondentin der taz.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat mit zwei Jahren Verspätung und mit Unterstützung des Bundesnachrichtendienstes sein Ziel erreicht. Die Befreiung Samir Kuntars stand erklärtermaßen auf seiner Agenda, als er im Juli 2006 eine israelische Patrouille an der Grenze zum Libanon überfallen ließ. Nun bereitet er Kuntar, der einem nur vierjährigen Mädchen den Schädel zerschmetterte, den Empfang in Beirut und macht ihn zum neuen Volkshelden. Nasrallah kam, sah und siegte.

Nur dass auf dem Weg dorthin über tausend Menschen ihr Leben ließen, die meisten davon Libanesen, war nicht eingeplant. Hätte er gewusst, so kommentierte Nasrallah im Anschluss den Krieg, dass Israel so aggressiv reagieren würde, er hätte den Befehl zur Entführung der Soldaten nicht gegeben. Damit zieht er zwei Lehren: Die Methode der Soldatenentführung zur Befreiung der eigenen Gefangenen funktioniert, aber: Der Blutzoll dafür ist hoch.

Die Regierung in Jerusalem ihrerseits hatte die Lektion zu lernen, dass die Hisbollah mit Gewalt nicht in die Knie zu zwingen ist. Sie gab nun dem Druck der Familienangehörigen der zwei Geiseln und der israelischen Bevölkerung nach. Für kritische Stimmen blieb kein Platz. Durch fast alle politischen Lager gellte der empörte Aufschrei, als ein ehemaliger Stabschef zu bedenken gab, dass der Preis für zwei vermutlich tote Soldaten doch ein wenig hoch angesetzt sei.

Das Image des Staates, der alles tut, um die Soldaten, ob lebendig oder tot, nach Hause zu bringen, ist wiederhergestellt. Das ist für die Motivation der Armee sehr wichtig, denn wer würde sich schon gern zum Kampf ins feindliche Land schicken lassen, um dort womöglich vergessen zu werden? Gleichzeitig wird Israel durch den so ungleichen Handel verwundbarer. Die Regierung in Jerusalem hat sich als erpressbar gezeigt.

Der einzige Weg, um die Gefahr für die an der Nordgrenze stationierten Soldaten zu vermindern, ist die baldige Beilegung des Streits um die Scheeba-Farmen, also um das umstrittene Areal im Dreiländereck Syrien, Libanon, Israel. Solange die islamischen Extremisten einen Grund finden, gegen Israel zu kämpfen, bleibt die nächste Soldatenentführung nur eine Frage der Zeit.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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5 Kommentare

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  • M
    MaxW

    Falls es erlaubt ist in der taz, die Sache auch anders zu sehen: Welchen hohen Preis haben dann erst die Palästinenser bis heute unter der israelischen Besatzung bezahlt? Wieviele Menschenleben, wieviel Elend? Wieviel geraubtes und zerstörtes Land? Beide Völker leiden!!! Und der libanesische Preis? Israel hat ja nicht aus Versehen massiv "überreagiert" beim Töten und Vertreiben von Libanesen. Sondern ganz gezielt. Tausende Tote. Und jeder 4. Libanese wurde zum Flüchtling gebombt.Zerstörung der Infrastruktur und eine gigantische Umweltverschmutzung vor der libanesischen Küste. Aber über DIESE Sache wird von Politik und Medien der dichte Mantel des Schweigens gelegt.Genauso dicht, wie manchmal in Radionachrichten früh am morgen um 5.00Uhr von israelischen Angriffen auf Palästinenser die Rede ist und von palästinensischem Vergeltungsfeuer.Und um 10.00Uhr vermelden die Nachrichten nur noch einen palästinensischen Angriff auf Israel. Wir "Normalos" werden hier aber schon arg von Politik und Medien manipuliert.

  • B
    B.Jenni

    Ein Besessener Mensch kann sich meines Wissens nicht verrechnen. Und deshalb wird Herr Nasrallah auch nicht daraus lernen können. Israel hat keine Verhandlungspartner unter seinen Feinden, diese lachen nömlich über die naivität Europas. Noch ist Europa ein zu flotter Geldgeber, jedoch auf dem besten Weg die Lektion am eigenen Leibe zu... "lernen"?

  • S
    Stefan

    Das Fazit stimmt leider nicht: islamistische Terroristen finden immer einen Grund für Terror. Auch der nächste Entführungsversuch wird nur eine Frage der Zeit sein. Selbst wenn es keinen akuten Grund gibt wird von den "Pallywood Productions" schon etwas inszeniert (Mohammed Al-Dura, Jenin-Massaker, Gaza Beach uvm). Wären die Scheeba-Farmen der wirkliche Schlüssel zum Frieden würden die Israelis das Gebiet in 24 Stunden geräumt haben.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Tja, Frau Knaul, in gewisser Weise haben Sie recht: Die islamistischen Extremisten (leider aber nicht nur die) werden immer einen Grund finden, Aktionen wie Soldatenentführungen durchzuführen, auch wenn es um die "Rückgabe" der letzten Strandpromenade in Tel Aviv gehen sollte.

  • WN
    Wolfgang Noelke

    Die Erinnerung an die mehr als tausend toten Libanesen (meinen Wissens sind es sogar 1700 libanesische Bombenopfer) relativiert den, in den Medien hervorgehobenen angeblichen Triumph.

     

    Viel bedeutender ist, dass dieses sture Vergelten der Vergeltung der Vergeltung endlich unterbrochen wurde und in der Einsicht mündet, miteinander zu verhandeln. Ein Verhandlungsergebnis ist für alle Beteiligten befriedigender, als der zweifelhafte Jubel über 'erfolgreiche' Bombardements, zumal in der gesamten Militärgeschichte nicht ein einziger Fall bekannt ist, dass ein Partisanenkrieg jemals mit militärischen Mitteln niedergeschlagen werden konnte.

     

    Nur auf gegenseitiger Augenhöhe existiert eine reale Verhandlungsbasis und wenn diese Basis das einzige Ergebnis dieses sinnlosen Libanonkrieges sein sollte, dürfte man auch in Israel darüber erleichtert sein, wenn endlich die Zeit der Diplomaten beginnt und die militärischen Hitzköpfe auf beiden Seiten in den Hintergrund treten.

     

    W.Nölke