Kommentar Gaza: Den Hass geschürt
Israels Boykott des Gaza-Streifens wird die Bevölkerung radikalisieren - und damit die Hamas weiter stärken. Gegen Raketen aber wird er nicht helfen.
Kann man ein Volk auf die Knie zwingen, wenn man es systematisch aushungert? Die israelische Regierung hat gestern den Gazastreifen zum "Feindesland" erklärt, um die Stromversorgung und die Lieferung von Brennstoff zu unterbrechen. Schließlich würden aus dem Gazastreifen Kassam-Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert.
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der Gazastreifen ist ein Stück Wüste, etwa 40 km lang und 10 km breit. 1,5 Millionen Menschen, darunter 1 Million Flüchtlinge leben dort. Die Hälfte der Einwohner sind Kinder unter 15. In den 40 Jahren der israelischen Besatzung durfte dort kein einziger großer Betrieb errichtet werden. Der Streifen ist total von Israel abhängig. Wasser und Strom, Brennstoff und alle Rohstoffe, sogar viele der wichtigsten Lebensmittel, kommen aus Israel. Die bestehenden kleinen Betriebe arbeiten für israelische Fabriken.
Der Streifen wird allgemein als "das größte Gefängnis der Welt" bezeichnet. Seit Monaten sind alle Grenzübergänge beinah völlig geschlossen. Das Leben steht still, die Mehrheit der Männer sind arbeitslos, viele Kinder sind unterernährt. Wasser gibt es in diesem heißen Wüstengebiet nur ein paar Stunden am Tag - wenn überhaupt. Jetzt soll auch der Strom "teilweise" eingestellt werden - Strom für Licht, für Kühlschränke, für Krankenhäuser. Der Sinn ist, die Einwohner so in Verzweiflung zu treiben, dass sie gegen ihre eigene Regierung aufstehen. Aber die Geschichte lehrt, dass das Gegenteil geschehen wird: Der Hass wird sich gegen Israel richten, die Bevölkerung noch mehr radikalisiert, Hamas noch populärer werden.
Wie kann man die Raketen verhindern? Hamas hat vorgestern vorgeschlagen, einen Waffenstillstand auszurufen. Das würde aber bedeuten, dass auch Hamas als integraler Bestandteil des palästinensischen Volkes anerkannt wird. Das ist schwer, weil die israelische Regierung und danach auch die USA und die EU Hamas als "Terroristen" gebrandmarkt haben. Es ist leichter, mit Condoleezza Rice und Mahmud Abbas über eine belanglose Scheinkonferenz in Washington zu diskutieren. Aber hat das einen Sinn?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Präsident des Zentralrats der Juden
Ernüchternde Bilanz nach Großdemos gegen rechts
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Vorwürfe gegen Grünen-Politiker Gelbhaar
Ende einer politischen Karriere
Ende der Faktenchecks bei Meta-Diensten
Nicht abhauen!
Verteidigung, Trump, Wahlkampf
Die nächste Zeitenwende