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Kommentar GazaDer Schlüssel zum Frieden

Es kann in Zukunft nicht wieder nur Israel alleine überlassen werden, die Grenzen zum Gazastreifen beliebig zu öffnen und zu schließen und 1,5 Millionen Palästinenser vom Rest der Welt wegzusperren.

V iel und kontrovers ist in den letzten drei Wochen über Ursachen und Wirkung des Gazakrieges debattiert worden: Nach palästinensischer Lesart ist die israelische Besatzung und die seit 18 Monaten andauernde israelische Wirtschaftsblockade das auslösende Moment. Nach israelischer Lesart stehen die Hamas und deren Raketen auf Israel am Beginn des Desasters.

Die ägyptische Waffenstillstandsinitiative schnürt nun beide Lesarten in einem Paket zusammen: Zunächst soll es einen mehrtägigen Waffenstillstand geben, bevor sich dann die israelische Armee an die Grenzen des Gazastreifens zurückzieht. Darauf folgen sollen Gespräche über eine Öffnung der Grenzen - die Kernforderung der Palästinenser - und solche über eine Sicherung der Grenze zu Ägypten und damit der Waffennachschubwege der Hamas - eines der Kriegsziele Israels. Europa und die USA können eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Israel vor der Hamas, aber eben auch die Palästinenser des Gazastreifens vor Israel zu schützen.

Wenn die USA und Bundesaußenminister Steinmeier nun aber wieder lediglich technische Hilfe zur Sicherung der ägyptischen Grenze und zu Unterbrechung des Waffennachschubs der Hamas anbieten, arbeiten sie nur an einer der Ursachen des Konfliktes. Um die zweite Ursache zu beseitigen, geht es um internationale Garantien, dass die Grenzen zum Gazastreifen geöffnet werden und geöffnet bleiben. Das ist nicht nur eine Hamas-Bedingung für einen Waffenstillstand, sondern die grundsätzliche Voraussetzung für ein einigermaßen normales Leben der Palästinenser im Gazastreifen. Dabei darf nicht der gleiche Fehler wie im Osloer Friedensprozess gemacht werden. Damals war der Mechanismus: es ging immer nur einen Schritt weiter, wenn sich die Palästinenser unter israelischer Besatzung ,brav' benehmen. Was genau ,brav' ist, wurde dabei einzig und allein der Definition einer der Konfliktparteien, nämlich Israel überlassen und blieb damit abhängig nicht nur vom Verhalten der Palästinenser, sondern auch von der jeweiligen poltischen Großwetterlage in Israel, egal, ob die vom Oslo-Architekten Yitzhak Rabin oder vom Hardliner Benjamin Netanjahu bestimmt wurde. Und auch vollkommen egal vom Verhalten Israels, dass im Friedensprozess seine Siedlungen auf besetztem Gebiet in unverminderter Geschwindigkeit weiterbaute.

Es kann in Zukunft nicht wieder nur Israel alleine überlassen werden, die Grenzen zum Gazastreifen beliebig zu öffnen und zu schließen und 1,5 Millionen Palästinenser vom Rest der Welt wegzusperren. Genauso wie die internationale Gemeinschaft die Grenze sichern will, sollte sie auch Garant für einen regulären Grenzverkehr sein. Bei den gegenwärtigen Waffenstillstandverhandlungen wird über eine Form internationaler Präsenz im Gazastreifen und an dessen Grenzen nachgedacht. Beobachtet werden sollte dann nicht nur palästinensisches, sondern auch israelisches Verhalten.

Das wäre der Schlüssel, dass im Gazastreifen die Waffen nach den blutigen vergangenen Wochen vielleicht diesmal nachhaltig schweigen.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
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3 Kommentare

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  • R
    Realman

    Das Problem ist nicht Hamas, sondern die rechtswidrige Besatzung und Enteignung. das Problem ist auch nicht die Raketen von Hamas, sondern die Blokade, Abregelung und Wegsperrung von 1,5 Millionen von Gaza-Bewohner von der rechtlichen Welt. Das Problem ist das Terror vom Staat Israel. Seit mehr als 60 Jahren treibt dies Staat nur Völkermord und Massaker. Damals gab es gar nicht Hamas.

  • OB
    Ostap Bender

    Erst wenn man auf dem Landweg von der BRD nach Israel auf dem Landweg mit großer Israelfahne am Fahrzeug gelangen könnte, erst wenn kein Terror und keine raketen aus Gaza kommen, erst dann könnte man überlegen, ob Israel irgendeiner seiner Grenzen öffnen sollte.

     

    Übrigens, bis 2000 gab es keine Grenze zu Gaza und auch keine Kassams. Dafür aber unzählige tote Israelis, Opfer von Terroristen- und Selbstmordattacken aus Gaza. Selbst als der Grenzzaun gebaut, gab es den Erez Industrial Parc. Hat nichts genutzt.

  • V
    vic

    Völlig richtig.

    Die Übergänge müssen ständig offen gehalten, und beide Seiten überwacht werden.

    Grenzen auf Waffen zu kontrollieren funktioniert doch bereits auf Flughäfen und an Landesgrenzen, wieso also nicht hier.

    Und was ist mit Israels Waffennachschub, wer überwacht den?