Kommentar Fußball im Einwanderungsland: Von Horst Hrubesch lernen
Noch immer sind Deutschtürken oder Afrodeutsche in Politik und Co nicht annähernd so vertreten, wie es den demografischen Verhältnissen entsprechen würde.
D ie inländischen Hauptnachrichten aus 24 Stunden: In Karlsruhe verhandelt das Bundesverfassungsgericht über den EU-Vertrag. Die Richter, die über die Klage zu befinden haben, heißen Voßkuhle, Osterloh oder Mellinghoff. In Berlin beraten Politiker über einen Kredit für Quelle. Die Minister und Staatssekretäre, die über die Zukunft des Versandhauses zu entscheiden haben, heißen Guttenberg, Fahrenschon oder Asmussen. In Stockholm schließlich wird die deutsche U21-Nationalmannschaft Europameister. Die Leistungsträger heißen Khedira, Özil oder Boateng. Welche dieser Namenslisten ist bemerkenswert? Die Multikulti-Liste?
Falsch. Übergehen wir einmal die Ausnahmen: den exzellenten biodeutschen Torwart Manuel Neuer und den Verfassungsrichter Udo Di Fabio, der als Enkel italienischer Einwanderer beweist, "Migrationshintergrund" und stockkonservative Gesinnung schließen sich mitnichten aus. Bleiben wir bei der Regel: Noch immer sind Deutschtürken oder Afrodeutsche in Politik oder Unternehmensvorständen, Behörden oder Medien nicht annähernd so vertreten, wie es den demografischen Verhältnissen entsprechen würde. Bemerkenswert ist allein das und nicht die U21.
Gut zehn Jahre ist es her, dass dem Sportskameraden Mayer-Vorfelder zu den französischen Weltmeistern um Zinedane Zidane nichts weiter einfiel, als den Verlust der deutschen Kolonien zu betrauern. Für andere hingegen zeigte das damalige deutsche Team, wie schlecht es um die Integration bestellt war und wie wenig die gesellschaftlichen Institutionen die Einwanderer repräsentierten.
Seither hat der deutsche Fußball eine enorme Entwicklung gemacht, die ihm, ganz nebenbei, auch aufm Platz zum Vorteil gereicht. Der Fußball ist fast schon normal, der Rest ist es nicht.
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