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Kommentar Frankreich und die TürkeiMord wird Wahlkampfthema

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Frankreich will die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe stellen. Das hilft nur den Hardlinern in der Türkei und schadet den Armeniern im Land.

E s ist sicher keine besonders gute Idee, die sogenannte Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe zu stellen, wie es das französische Parlament am Donnerstag wahrscheinlich beschließen wird. Damit überzeugt man niemanden, der nicht sowieso längst davon überzeugt ist, dass der Massenmord an den Armeniern 1915 den Charakter eines Völkermordes hatte.

Im Gegenteil, man schließt die Reihen der Skeptiker. Verbote in Frankreich nutzen nur den Hardlinern in der Türkei und schaden den Armeniern im Lande.

Doch darum geht es gar nicht. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will im kommenden Wahlkampf bei den zahlreichen Armeniern in Frankreich punkten, und das Gesetz ist ein billiges Mittel dazu. Sosehr dieser Zusammenhang in der Türkei beklagt wird, die türkische Reaktion, mit dem Abzug des Botschafters und dem Boykott französischer Firmen zu drohen, bringt auch nicht weiter.

taz
JÜRGEN GOTTSCHLICH

ist Türkei-Korrespondent der taz.

Die Türkei wird früher oder später akzeptieren müssen, dass der größte Teil der Welt den Mord an der armenischen Minderheit als Völkermord betrachtet. Je früher sie es akzeptiert, umso besser. Das bedeutet, dass der türkische Staat sich entschuldigt und einen Fonds für Entschädigungen einrichtet. Tut er das nicht, werden die kommenden Jahre schwierig für Ankara.

2015 jährt sich der Genozid zum hundertsten Mal. Die Symbolik dieses Datums wird dazu führen, dass viele Politiker weltweit die Chance nutzen werden, sich als die Guten an der Seite der Opfer zu präsentieren, auch wenn ihnen das Schicksal der Armenier herzlich egal ist.

Wenn die Türkei sie alle dann boykottieren will, sollte sie sich aus der Weltwirtschaft am besten jetzt schon verabschieden. Es ist höchste Zeit für die politisch Verantwortlichen in Ankara, den Prozess des Umdenkens im Land nicht länger zu behindern, sondern aktiv zu fördern.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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17 Kommentare

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  • D
    dth

    Diese Sympathiebekundung von Herrn Gottschlich für türkische Genozid-Leugner in der taz erschüttert mich sehr. Ich hoffe, daß er damit in der Redaktion alleine dasteht.

  • F
    Ffm152

    Der Artikel übersieht wirtschaftlich viel und politisch auch einiges. Nämlich dass die Beweise für einen Völkermord noch ausstehen und es selbst den Briten als Siegermacht nach dem ersten Weltkrieg nicht ausreichten, um die Osmanen bzw. die Türken zu verurteilen. Selbst wenn viele Regierungen daran glauben, heißt das nicht, dass es wahr ist und es gibt eine ganze wichtiger westlicher Historiker, die es ebenfalls anzweifeln. Wirtschaftlich wäre der Westen auch beraten, in Zeiten von Krisen nicht zu übertreiben, wenn man bedenkt wie schuldig sie mittels des IWF und der UNO die ärmsten Länder wirtschaftlich ruiniert haben. Gnade ihnen Gott sollte sich eines Tages der Süden unter chinesischer Führung wirtschaftlich vereinigen. Dann kann sich eher der Westen von der Weltwirtschaft verabschieden.

  • D
    Deutschtürke

    Hmmm ich finde das ganze schon witzig was manch einer hier von sich gibt. Zum einen dieser Völkermord unter beobachtung und mithilfe des damaligen Deutsvhen Kaiserreiches stattfand. Wenn es ein Völkermord sein sollte dann muß sich deutschland auch dazu bekennen das auch sie direkt am Völkermord beteiligt waren.

    Mittlerweile leben sowohl hier in Europa sowie in der Türkei die Armeniern als eine feste Gemeinde. Und das passt den Europâern natürlich nicht. Nun fângt alles von Vorne an. Nichts anderes als Haßrufe was dazu führt das diese Gemeinde wieder auseinander bricht.

    Leute. Glaubt nicht an das was diese Sionistisch geführten Oberhâupter von sich geben. Das gleiche spiel haben Sie mit den Juden, Arabern, İrakern,iranern und nun mit den Türken gemacht.

    Was war zum Beispiel 1915 passiert? Armenier waren zu dieser Zeit hauptsâchlich Waffenschmiede, etc. Handwerklich mit Metall waren Sie zu dieser Zeit sehr begabt. Sie wurden deshalb zum Kampf an der Front nicht eingesetzt. Als das Osmanische Armee sich auf Kriegeszug befand, begann das Morden an Frauen und Kindern durch bestimmte Armeniern. Die Mânner waren ja auf Kriegeszug somit waren das ganze sehr einfach. Zigtausende Frauen, Kinder und âltere Menschen wurden grausam ermordet. Als die Osmanischen Truppen zurück kamen bot sich denen ein grausames Schauspiel. Nicht die Wirklichen Verantwortlichen sondern das armenische Volk musste dafür bluten. Obwohl sionistischen Juden dahinterstecken wie auch spâter im zweiten Weltkrieg. Ein Land dazu verdonnern Entschâdigungen zu zahlen. Und wer wird das Geld bekommen? Die Rockefellers und Rothschild. Denen gehört ja İsrael. Dieses Sionistische Pack haben İhre Schlüsselfiguren in frankreich, england,usa und Deutschland.

    Nun geschieht das gleich aber auf politischer Ebene. Wieder dieser Hassruf und daselbe spiel.

  • S
    Stefan

    Klar doch, man sollte die Irren nicht provozieren, sie könnten irre werden! Das, lieber TAZ-Autor ist das erfolgreiche Apeasement-Konzept von Chamberlain, der ja bekanntermaßen Hitler zurch Zugeständnisse beruhigen konnte.

  • TB
    Thorsten Büchner

    schon spannend, die debatte der vermeintlich linken leserschaft bei der taz zu verfolgen. da geht der antiwestliche affekt so weit, dass man sich mit islamisten und türkischen rechtsextremen gemein macht. aber überraschen kann das auch nicht. les extremes se touchent. der kommtar war im zweiten teil übrigens recht gut. obs was bringt, genozid-leugnung unter strafe zu stellen? ich glaubs nicht. ist eher ein akt innerer hygiene.

    PS: was ein diktatorenklub wie die uno dazu sagt, ist nun wirklich nicht maßgebend.

  • B
    ballaballa

    Wenn jeder so denken würde, wie Herr Gottschlich, dann würden wir wohl noch in einer Diktatur leben. Wenn man Genozite so verharmlost, dann wird das nichts mit der Demokratie. Nur weil so unbedingt die Türkei in die EU soll, so auf biegen und brechen, deshalb darf man bei Völkermorden mal ein Auge zudrücken. Wie soll ich es anders sagen: Hätte D. ...und so weiter und so fort. Alles Heuchelei, mag sein auch vom französischen Präsidenten, obwohl ich das nicht Glaube, weil ihn eine demokratische Wahl dazu treibt, aber mit Sicherheit ist die Türkei heuchlerisch, ganz genauso wie die TAZ!

  • R
    reblek

    "Es ist sicher keine besonders gute Idee, die sogenannte Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe zu stellen..." - Was soll "sogenannte Leugnung" bedeuten? Dass es da nichts zu leugnen gibt, weil es nichts gegeben hat, das als Völkermord bezeichnet werden könnte?

  • VM
    von mir

    Warum soll die Türkei ein Völkermord zugeben, wenn die UN einen Status als Völkermord verweigert??

    Welches Gericht hat die Türkei dazu je verurteilt, wenn die Sache so eindeutig ist warum verklagt Armenien die Türkei nicht vor dem IGH?

    Das NS-Regime wurde in Nürnberg verurteilt und die Türken??

    Also ohne Prozess wird die Türkei hier verurteilt??

    Seltsam, ich dachte immer Europa ist der schillernde Stern am Rechtsstaathimmel.

  • HF
    hajo flup

    Das Gesetz ist ganz klar nur Wahlkampfmittel. Ich weiß aber nicht, ob ich es schlecht oder gut finden soll.

    Der türkische Staat sollte sich seiner gesamten faschistoiden Vergangenheit stellen und alle Völkermorde und Massaker an den Minderheiten in der Türkei aufarbeiten.

    Der Staat muss eines akzeptieren:

    Die Türkei ist ein Vielvölkerstaat mit vielen Ethnien und Religionen. Es gibt nicht den sunnitischen reinrassigen Türken, auch wenn man 200 Jahre weitermordet.

  • L
    Levon

    Sie legen weder dar, inwiefern die "Hardliner" in der Türkei gestärkt werden würden, wenn das Gesetz durchgehen sollte, noch, worin der "Schaden" für die Armenier "im Land" liegen soll.

     

    Frage: Wen meinen sie mit "Hardlinern"?

    - alle Leugner?

    - die Kemalisten?

    - die Grauen Wölfe?

    - die Islamisten?

    usw.

  • M
    Marina

    Himmel, zu so einem ernsten Thema wie dem Völkermord an den Armeniern kommt die taz mit so einem dümmlichen "Hauptsache dagegen"-Artikel - das ist ja echt oberpeinlich. Und der Artikel schafft es ja echt, sowohl gegenüber den Türken wie auch den Armeniern wie auch den Franzosen gegenüber ausländerfeindlich zu sein. Stramm rechts - die taz, wie man sie kennt.

     

    Dann lieber die NPD als diese Ultra-Rechten von der taz.

  • G
    Gürkan

    Sehr geehrte Herr Gottschlich,

     

    EU + USA ungleich die ganze Welt!

     

    Merken sie sich das. ; )

  • W
    willy

    Die Strafbarkeit von Mord hilft nur den Mördern und schadet den Mordopfern und ihren Angehörigen!

  • A
    antiantiantianti

    Sehr geehrter Herr Gottschlich,

     

    das nächste Mal wenn einer der anderen Redakteure über "vertrauenserweckende Maßnahmen für Migranten" von Politikern schreibt, zeigen sie ihm bitte ihren Kommentar. Sonst wird es zu einseitig, und wir wollen ja nicht dass die Wahrheit von Herkunft, Rasse oder Religion abhängt, nicht wahr?

  • T
    Thomas

    Herr Gottschlich, sind sie also auch dafür das man den Holocaust in Deutschland leugnen darf?

  • T
    tommy

    Und noch eine Anmerkung: Ich bin wirklich von Freund der Türkei oder von Erdogan und seiner Partei und es ist lächerlich, dass man dort teilweise strafrechtlich belangt wird für Äußerungen über die Armenier-Massaker. Aber was soll das Gerede von einem "Entschädigungsfonds"? Wen soll man denn bitte entschädigen? Die Ururenkel von Überlebenden?

    Also irgendwann ist historisches Unrecht einfach nur Vergangenheit und ein ererbter Opferstatus erscheint mir doch fragüwrdig.

  • T
    tommy

    Ein unsinniges Gesetz, aber wenn man - anfangs vielleicht mit durchaus guten Absichten - anfängt, bestimmte "Geschichtsbilder" (Holocaustleugnung) zu kriminalisieren, wird dasselbe Prinzip über kurz oder lang eben auch auf andere Berreiche (Sklaverei, Armenier etc.) ausgedehnt, je nachdem bei welcher ethnischen oder sonstigen Lobby man gerade um Stimmen buhlt. Aufschlussreich, dass solche Versuche der Meinungskontrolle vor allem von der Linken kommen, die eben oftmals zutiefst autoritär ist und noch weniger ein Verständnis für freiheitliche Werte hat als viele im konservativen oder rechten Spektrum.