Kommentar Frankfurter Rundschau: Die FAZ greift zu
Dass Auflagenverluste nicht nur mit den dummen jungen Leuten zu tun haben, sondern auch mit rapide gesunkener Qualität, wird gerne verdrängt.
D ie Entscheidung ist gefallen: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung übernimmt die Rundschau. Die Qualitätszeitungen in der Mainmetropole liegen von nun an in einer Hand. Ohne den Boulevard wäre Frankfurt damit ein Einzeitungskreis.
Die FR wird ab Freitag nur noch eine Hülle sein. Keine ganz so leere wie die Westfälische Rundschau, dessen Redaktion von der WAZ komplett geschlossen wurde und die mittlerweile von Konkurrenten mit Inhalt befüllt wird, aber doch für den Leser kaum noch interessant ist.
Das FAZ-Modell mag für die konservative Zeitung und die dahinter stehende Fazit-Stiftung wirtschaftlich sinnvoll sein: Die Kosten für die Übernahme und die Weiterbeschäftigung von nur 28 Mitarbeitern dürften sich in engen Grenzen halten, vertrieben werden kann die Zeitung huckepack auf dem Rücken der FAZ. Auf der Einnahmenseite stehen 120.000 FR-Leser, von denen doch wohl einige bei der Stange bleiben werden, und die Werbekunden, denen die Frankfurter Allgemeine nun noch bessere Kombiangebote machen kann. Die Rechnung dürfte aus kaufmännischer Sicht aufgehen.
Klebriger Einheitsbrei
Doch das Signal ist fatal: Die Verleger begegnen den rückläufigen Käuferzahlen flächendeckend noch immer nur mit Kostensenkungen. Springer quirlt Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost mit der Welt zu einem klebrigen Einheitsbrei. Diverse Lokal- und Regionalzeitungsverlage haben ihre Mantelredaktionen schon zusammengeschlossen oder gar outgesourct, siehe Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, Magdeburger Volksstimme, Ippen-Gruppe, WAZ und Co.
In den Lokalredaktionen sitzen dann noch ein paar verbliebene Redakteure und versuchen ihrem Blatt einen letzten Sinn zu geben. Denn der ist in einem vorderen Teil, der zur Gänze aus zusammengeklaubten Agenturmeldungen und -fotos besteht, verloren gegangen.
Immer mehr Leser sparen sich deshalb ihre gedruckte Zeitung. Nur zögerlich und sehr spät begannen die Verlage nach neuen Erlösmodellen im Digitalen zu forschen. Entschlossenheit zeigen sie nur beim Sparen an redaktionellen Inhalten. Dass die Auflagenverluste nicht nur mit dem bösen Internet und den dummen jungen Leuten zutun haben könnten, sondern auch mit rapide gesunkener Qualität und Vielfalt, wird in der Branche gerne verdrängt.
Der Neubrandenburger Nordkurier hat übrigens fast zeitgleich mit der Bekanntgabe der FR-Kartellamtsentscheidung mitgeteilt, dass der Nordkurier aus der gemeinsamen Mantelproduktion mit der Schweriner Volkszeitung wieder ausscheren wird und sein eigenes erstes Buch herstellt. Dafür sollen sogar Stellen geschaffen werden. Hoffentlich hat das Modell Erfolg.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird