Kommentar Fluglärm: Kollektiv fürs gute Leben
Solange die Flugzeuge nur über den Arbeitergegenden flogen, gab es keine Debatte. Erst als die Routen die Villenbesitzer am See betrafen, änderte sich das.
D a ziehen die ganzen Vorgartenbetroffenen, die Egodemonstranten und Jammeranwohner nun also alle gemeinsam auf, um im Schulterschluss gegen Fluglärm zu demonstrieren. Was sagt uns das? Dachten nicht viele, dass da nun wieder gerade jene meckern, die selbst gerne zum Billigurlaub ins Flugzeug steigen – und sich über die Konsequenzen beklagen, wenn es im Vorgarten zu laut wird? Je nachdem, wohin man schaut, kann man zu diesem Urteil kommen.
Beispiel Berlin: Solange die Flugzeuge bislang mitten in der Hauptstadt nur über den Arbeitergegenden in den Landeanflug gingen, gab es darüber keine Debatte. Erst seit durch den neuen Flughafen außerhalb der Stadt die Villenbesitzer an den stillen Seen betroffen sind, erregen diese sich in Massen, weil der Immobilienwert sinkt.
Es ist aber zu einfach, dieses spät erwachende Ungerechtigkeitsempfinden pauschal zu disqualifizieren. Mit dem richtigen Versuch, in bundesweiten Demonstrationen die Fluglärmdebatte nicht nur ein Nachbarschaftsanliegen sein zu lassen, eröffnen die Fluglärmgegner eine Debatte, die künftig auch in anderen gesellschaftlichen Konfliktfeldern noch ansteht. Sie heißt: Wie wollen wir leben?
ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen.
Die Utopie einer florierenden, wirtschaftsstarken Nachhaltigkeitsrepublik ist nur ein hübsches Märchen, dem es an Praxis fehlt. Große Infrastrukturprojekte – Stichwort Stromtrassen, Stichwort Windparks – sorgen schon heute für Verunsicherung und Protest an vielen Orten.
Wer künftig in Offenbach, am Müggelsee und in Freising nachts besser schlafen will, kommt nicht umhin, von sich auf andere zu schließen. Dass die Flughafeninitiativen diesen Denkschritt ernst nehmen, ist daher vielversprechend. Denn das gute Leben ist keines, das durch Partikularinteressen geprägt sein sollte. Es ist eines, das im Kollektiv erstritten werden muss.
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