Kommentar Fall Pohlmann: Akte Pohlmann geschlossen
Die Aufarbeitung von Stasi-Verdachtsfällen wird fast unmöglich, wenn das Hamburger Urteil Schule macht.
M edien haben eine große Macht, sie können – wie in früheren Jahrhunderten Gerüchte – zu Hexenverfolgungen führen und Menschen erledigen. Im Fall Pohlmann geht es nicht um Leib und Leben, aber immerhin um den Ruf und seine politische Laufbahn.
Der Pohlmann-Anwalt Eisenberg hat jüngst eine Gegendarstellung in BILD durchgesetzt, der CDU-Politiker Kau musste sich gegen rufschädigende Balken-Überschriften zur Wehr setzen. Dass Gerichte die Grenzen der Pressefreiheit definieren, ist richtig und erforderlich.
Der Fall Pohlmann liegt komplizierter. Dass Pohlmann mit großem Idealismus für die DKP gearbeitet hat, das sagt er selbst, und ehemalige Genossen wissen davon zu erzählen. Möglicherweise hätte er sich geehrt gefühlt, wenn er von den Obergenossen „drüben“ gefragt worden wäre, ob er im Ernstfall besondere Aufgaben übernehmen könne. Er selbst redet über diese Zeit nicht, so bleibt die Rekonstruktion aus Akten-Fitzelstückchen.
Eisenberg hat Recht: Auch politische Vorwürfe sollten nach 30 Jahren „verjähren“. Was auch immer Pohlmann als DKP-Funktionär gedacht hat – seine derzeitige Arbeit ist davon nicht berührt.
Das richterliche Verbot, aktenkundigen Hinweisen nachzugehen, unterbindet aber die historische Aufarbeitung, der Richterspruch vollendet so nur die Aktenvernichtung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit NS-Erinnerung
Was der Opa von Friedrich Merz mit der Gegenwart zu tun hat
Israelkritik der Linkspartei
Der Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs
Schwatzhafte Päpste
Treffen sich Obama, Trump und der Papst im Himmel
Deutschland und der jüdische Staat
Schluss mit der Symbolpolitik
Eurovision Song Contest
Es haben die Richtigen gesiegt
Abtreibungsgesetze in den USA
Hirntote Schwangere zum Weiterleben gezwungen