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Kommentar FabrikbesetzungKampf um Arbeit

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Viele Franzosen zeigen für die Drohungen, die Fabriken zu sprengen, Verständnis. Sie sind verbittert, die berufliche Zukunft in Frankreich ist ungewiss. Weitere Entlassungen werden folgen.

F ür die ehemaligen Beschäftigten von New Fabris ist es das bittere Ende eines einsamen Konfliktes. Am Freitag stimmten sie resigniert einer Prämie zu, die sich gegenüber ihrer ursprünglichen Forderung erbärmlich ausnimmt. Nach ihrer allerletzten Vollversammlung räumten sie die besetzte Fabrik und gingen mit zwei Gewissheiten nach Hause. Die erste: 12.000 Euro Prämie erkämpft zu haben. Die zweite: In der Region gibt es kaum eine berufliche Zukunft.

Für den Rest Frankreichs - insbesondere für die Regierung in Paris - hinterlässt New Fabris noch eine weitere Gewissheit: Es gibt eine Zuspitzung der sozialen Auseinandersetzungen in den Betrieben. Die Belegschaft hat mit der Drohung, ihre Fabrik in die Luft zu sprengen, ein Zeichen dafür gesetzt.

Kaum hatte sie Anfang Juli 19 Gasflaschen auf ihrem Fabrikdach installiert und kaum hatte sie ihr Ultimatum ausgesprochen - Prämie oder Sprengung - waren zwei weitere, ebenfalls von Entlassung bedrohte Belegschaften ihrem Beispiel gefolgt. Nach der Welle von Freiheitsberaubungen von Spitzenmanagern und nach einer Reihe von Fabrikbesetzungen ist die Sprengdrohung zu dem neuen Druckmittel der Ohnmächtigen geworden.

Eine Umfrage in Frankreich zeigt, wie weit inzwischen der "Konsens" darüber geht, dass auf dem legalen Weg keine Auswege aus sozialen Konflikten zu finden sind. 65 Prozent der Franzosen zeigen "Verständnis" - wenn auch keine "Billigung" - für die Sprengdrohungen. Für diese Verbitterung haben viele Faktoren gesorgt.

Darunter die nicht endenden Massenentlassungen, die obszönen Abfindungsprämien für Spitzenmanager, die milliardenschweren staatlichen Beihilfen an große Banken und an die Autoindustrie und die Ankündigung der Regierung, es werde in diesem Jahr hunderttausende weitere Arbeitslose geben.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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1 Kommentar

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  • G
    Gallier

    Die Fronten verhärten sich in Frankreich immer mehr, weil niemand die Lösung des Beschäftigungsproblems kennt. Der Chef von Total France war immerhin so ehrlich zu sagen, dass man in unserem Land in Zukunft eben weniger Arbeitskräfte brauche. Das von der Sarkozy-Regierung empfohlene Konsenzgeschwafel wird nichts nutzen, das ist den meisten Franzosen klar; neue, zeitangepasste Lösungen müssen her, wie etwa beispielsweise ein garantiertes Grundeinkommen für alle, die von der Arbeitswelt ausgegrenzt sind.