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Kommentar EurozoneErst mal muss der Politclown weg

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Berlusconi soll weg: Da sind sich alle in der Eurozone einig. Doch das ist noch das geringste Problem. In größter Harmonie sparen die Euroländer sich in die Rezession.

N icht nur Investoren spekulieren - die Politik tut es auch. Das Kalkül der Eurozone ist unübersehbar: Italien wird erst geholfen, wenn Premier Silvio Berlusconi zurückgetreten ist. Diesen Politclown wollen die anderen Staatschefs nicht alimentieren. Stattdessen möchten sie ihn endlich abwickeln, war er doch eine Beleidigung für ihren Berufsstand.

Der zunehmende Druck auf Berlusconi zeigt, dass man sich um die Eurozone eigentlich keine Sorge machen muss: Sie ist politisch handlungsfähig und in der Lage, selbst härteste Sanktionen durchzusetzen. Denn es ist die maximal denkbare Einmischung in die inneren Angelegenheiten, dass von einem Land verlangt wird, seinen Regierungschef auszutauschen.

Die Causa Berlusconi zeigt, dass die Eurozone falsch wahrgenommen wird. Noch immer lautet die gängige Meinung, dass eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik völlig undenkbar sei, weil 17 Länder machten, was sie wollten. Das Gegenteil ist richtig: Die Wirtschafts- und Finanzpolitik wird längst koordiniert betrieben. Und wer wie Berlusconi nicht spurt, wird eben aussortiert.

Bild: taz
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Dieser neue Gemeinschaftsgeist ist zunächst einmal eine gute Nachricht: Der Euro kann nur funktionieren, wenn sich die Mitgliedsstaaten auf eine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik einigen. Einziges Problem: Die Eurozone verfolgt die falsche Politik. In größter Harmonie beharrt man auf einem fatalen Irrtum.

Alle 17 Euroländer kennen nur einen Weg aus der Krise: Sie alle sollen sparen - und sie alle sollen exportieren. Das kann nicht funktionieren. Irgend jemand muss auch importieren. Doch dieses simple Gebot der Logik wird kollektiv ignoriert. Stattdessen spart man sich in die Rezession.

Berlusconi ist also noch das kleinste Problem, mit dem die Eurozone zu kämpfen hat. Die eigentliche Gefahr ist der Wirtschaftseinbruch, der herannaht und auf den alle Frühindikatoren hinweisen. Dann werden die Finanzmärkte erst so richtig panisch.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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8 Kommentare

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  • A
    Ani

    Für so plumpe Kommentare gibts...äh...Geld?

  • V
    Volksverdummung

    • VERKLÄRUNG und Verschleierung einer BANKROTTERKLÄRUNG...

    .

    1. Die unübersehbare Handlungsunfähigkeit der Eurozone als SIEG -über "Berlusconi-Italien", oder "Papandreou-Griechenland", zu verkaufen, bezeugt nur den REALITÄTSVERLUST und die von der Wirklichkeit abgehobenen "politischen Europa-Utopien" der Kommentatorin (womit Sie freilich nicht alleine da steht...).

    .

    2. Das "Einmischen in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates" als "neuen Gemeinschaftsgeist" überforderter staatlicher Krisenmanager zu interpretieren, das ist ein weiteres Indiz für die "analytische Verwirrung" der Verfasserin, die Italien -um ein stimmiges Bild zu zeichnen- "als ausserhalb der Gemeinschaft stehend" stigmatisiert, bzw. abgeschrieben hat!

    .

    3. Die Frage, "wer Berlusconi alimentiert", ist -im Kontext der Krise- blanker Unsinn!

    Als ob der angegriffene POLITCLOWN "einmalig" und das kausale Problem der Krise des Finanzsystems wäre.

    Nein. ALLE POLITCLOWNS, die uns vorgaukeln, das Sie das Primat über die Finanzmärkte besitzen, sind inzwischen Teil eines systemimmanenten "Steuerungsproblems", das die Krise am Schwelen hält und die Bürger in Europa reihum, unter Androhung von ZWANGSMASSNAHMEN, abzuschöpfen sucht!

    Es kommen alle dran! Erst die Bürger "ganz Unten", dann die "in der Mitte", dann die "weiter Oben"! Zwiebelschicht für Zwiebelschicht und ein verschuldeter und erpressbarer Staat nach dem Anderen.

    .

    Nicht nur die unabdingbare Regulierung der Finanzmärkte, sondern auch eine "Entschärfung der Staatsschuldenkrise" wird sich nur GEGEN den politischen Willen ALLER POLITCLOWNS durchsetzen lassen! Auch das hat sich in CANNES beim G20-Treffen erneut bestätigt!

    Die POLITCLOWNS schüren die Krise (!), anstatt sie durch geeignete Finanzmarktregularien und Novellierungen bestehender Verträge (z.B. innerhalb der Eurozone in Richtung einer direkten Staatsschulden-refinanzierung durch die EZB, unter Ausschluss der Geschäftsbanken vom Primärmarkt!) zu entschärfen!

     

    4. Fragen wir lieber sachlich: Wer "alimentiert" Italien, oder Griechenland, oder Deutschland und Frankreich? Sind es die "anderen Staatschefs"? Oder abstrakt: die "politisch handlungsfähige Eurozone"?

     

    Wenn Italien sich refinanziert, dann "alimentiert" keine europäische Solidargemeinschaft, kein supranationales Konstrukt, sondern kreditgebende Geschäftsbanken, allerdings zunehmend -und ungestraft- nur noch gegen WUCHERZINSEN, die KEIN Staat aus eigener Kraft nachhaltig erwirtschaften kann.

     

    "Staatschefs der Eurozone" geben keine Kredite; sie besitzen dafür auch kein politisches Mandat, geschweige denn die finanziellen Mittel! - Wie man aus dem finanziellen RUIN eines Staates -das zudem noch Mitgliedsstaat der Eurozone ist-, oder aus dem Machtverlust eines Regierungschefs dieser "Zone", eine "politische Handlungsfähigkeit der Eurozone" ABLEITEN kann, das bleibt das ARKANUM ("Geheimwissen") von Frau Herrmann...

     

    5. Was von Frau Herrmann als "maximal denkbare Einmischung in die inneren Angelegenheiten" eines souveränen Staates gelobt und befürwortet wird, nämlich "dass von einem Land verlangt wird, seinen Regierungschef auszutauschen", ist kein Beweis für die Handlungsfähigkeit, sondern ein gewichtiges INDIZ FÜR die politische und strukturelle HANDLUNGSUNFÄHIGKEIT der Eurozone!

     

    Die "politische Eurozone" hat es nicht vermocht, ihre Mitglieder vor den Wucherzinsforderungen der "Finanzmärkte" (der privilegierten Teilnehmer am Primärmarkt für europäische Staatsanleihen!) wirksam zu schützen. Und sie kann es derzeit auch nicht, weil der Primärmarkt für "EURO-Staatsanleihen" ein PRIVILEGIERTER FINANZMARKT mit exklusiven Zugangsbeschränkungen ist.

    • Für die "MAKLER der STAATSFINANZIERUNG", den Kreditvermittlern, die "die REFINANZIERUNGSKREDITE VON DER EZB ZU DEN STAATEN mit Zinsaufschlägen (!) WEITERSCHIEBEN dürfen", eine LIZENZ ZUM GELD DRUCKEN.

    • Für kreditnehmende Staaten, die auch Eigentümer der EZB (!) sind, eine sinnfreie Einbahnstrasse in eine ausweglose SCHULDENFALLE!

    .

    6. Angesichts der politischen ZUMUTUNGEN gegenüber Griechenland und Italien, angesichts der (Kahlschlag-)Spardiktate v. "EU, EZB und IWF" (der Troika), die die ABWÄRTSSPIRALE der betreffenden Volkswirtschaften noch verschärfen (Wachstumskiller!), sind Aussagen, dass die "Politik" den politischen Kurs der Euro-Zone bestimme, einfach nur noch grotesk...

     

    ...sic tacuisset!

    .

    HESSE

    .

  • FM
    Franz Mohr

    Leider ist alles noch schlimmer, es geht nicht um Sparen als solches. Vielmehr wird das vollständige Scheitern des Neoliberalismus mit einer Radikalisierung der neoliberalen Politik beantwortet: Die Umverteilung von unten nach oben wird verstärkt: sinkende Renten, weniger Arbeitslosengeld, geringere Löhne im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft, höhere Verbrauchssteuern etc. höhlen die Massenkaufkraft weiter aus, während die großen Vermögen und sagenhaften Einkommen der neuen Feudalklasse ungeschmälert weiter wachsen und das große Casino brummen lassen. Bis zum nächsten großen Crash.

  • BM
    Bernd Mehrens

    Weiter so Frau Herrmann, bloß nicht sparen in den öffentl. Haushalten. Der/die Steuerzahler/-in der BRD ist ja nur mit Euro 40.000.000.000,- p.a. Zinsen dabei. Das sind "nur" 13% des Staatshaushaltes. Warum nicht verdoppeln?

  • M
    maik

    Die ominösen "Finanzmärkte".So, so. Welch Tiefe der Analyse. Volksverdummung.

  • S
    Schattenfels

    Auf der einen Seite sparen sich die Euroländer "in größter Harmonie in die Rezession", auf der anderen Seite fehlt es aber an einer einheitlichen europäischen Finanzpolitik? - Was denn nun, Frau Herrmann?

     

    Wenn eine Kreditblase praktisch geplatzt ist, wollen Sie mit noch mehr Krediten gegensteuern? Damit verschieben sie das Problem lediglich in die Zukunft - zu immer horrenderen Kosten, denn selbst bei einer Einführung von Eurobonds wird das Problem in ein paar Jahren ganz Europa betreffen. Auch Deutschlands AAA ist nicht ewig belastbar, selbst der stärkste wäre bald für ihr Solidaritätsszenario zu schwach, zumal die Anreizproblematik für undisziplinierte Länder in der Zwischenzeit weiter bestehen bleibt. Man verlässt sich immer auf einen neuen lender of last resort, frei nach dem Motto: "Bezahlt uns weiter oder wir gehen pleite und reißen euch mit."

     

    Die Politik immenser zum Großteil kreditfinanzierter Staatsausgaben zur vermeintlichen Ankurbelung der Wirtschaft à la Keynes hat die Krise erst verursacht, sie ist keinesfalls eine Lösung. Zudem blieben Griechenland, Italien und Co. an eine viel zu starke Währung gekettet, sie hätten keine Chance international wettbewerbsfähig zu werden.

     

    Schuldenschnitt, raus aus dem Euro und abwerten, privatisieren, FDIs anlocken, Beamtenapparat und Bürokratie abbauen, Korruption bekämpfen, in Zukunft weniger billiges Geld von der ZB, um Kreditblasen zu verhindern.

    Das wäre erst mal hart für die PIGS (s. Argentinien etc.) aber es wäre ein echter Neuanfang mit festem ordnungspolitischem Fundament.

     

    P.S. Europa ist keine geschlossene Volkswirtschaft, es ist also durchaus möglich, dass alle europäischen Länder ihre Außenhandelsanteile steigern, sie müssen ja nicht nur nach Europa exportieren.

  • M
    Mirko

    Berlusconi oder EUdSSR.

     

    Irgendwie will ich da doch lieber das Original, kommt nur leider nicht.

  • K
    Katev

    Die gute Frau Herrmann kann noch so ausdauern gegen den Sparirrsinn argumentieren, er wird weiter betrieben. Allmählich sollte man sich fragen, was hinter dieser Politik steckt. Eine Frage der Psychologie oder der Herrschaftsanalyse?