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Kommentar EuropawahlDer allzu nette Herr Weber

Dominik Baur
Kommentar von Dominik Baur

Der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber will es in Europa allen recht machen. Doch wer führen will, muss sich auch trauen anzuecken.

Wischi-Waschi-Weber möchte alle umarmen und ganz, ganz, ganz viele Brücken bauen Foto: dpa

E in Foto trifft es besser, als es ein Satz vermocht hätte. Im aktuellen SZ-Magazin musste Manfred Weber auf die Frage antworten, ob Viktor Orbán ein Diktator sei – ohne Worte, denn es war ein Interview der Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“. Webers Gesicht ist auf dem Foto leicht verkniffen, die Hände machen eine leicht abwehrende, aber auch abwägende Bewegung. Die Frage schmerzt, sagt Webers Ausdruck, aber eindeutig beantworten lässt sie sich auch nicht.

Anders als etwa sein früherer Parteichef Horst Seehofer war Weber keiner von jenen CSUlern, die nur allzu gern mit Orbán gekuschelt haben, und doch hüllt er seine Kritik stets in sehr freundliche Worte. Selbst nach den jüngsten anti-europäischen Eskapaden des Ungarn scheute sich die EVP-Fraktion unter Weber davor, Orbán sofort vor die Tür zu setzen.

Der Zwiespalt im Umgang mit der ungarischen Regierung ist dabei symptomatisch für die Situation, in der der Wahlkämpfer Weber steckt. Das wurde auch an diesem Wochenende bei seiner wenig inspirierenden Rede auf dem Europaparteitag der CSU deutlich. Profil zeigen, ohne dabei jemanden vor den Kopf zu stoßen – keine leichte Übung für den Niederbayern, der EU-Präsident werden will. Gut, gegenüber Trump, Erdoğan und den Brexiteers kann man schon mal einen markigen Spruch loslassen, aber da, wo Ende Mai gewählt wird, ist Weber bedacht, auch ja niemandem wehzutun.

Weber ist ein sympathischer und nachdenklicher Politiker, der durchaus viele vernünftige Sachen sagt. Momentan wird Weber jedoch nicht müde, ständig eine ziemlich abgenutzte Metapher zu bemühen: Brücken wolle er bauen. Immerhin: Gräben gibt es genug in Europa. Doch welche davon will Weber überbrücken? Was hat er sich vorgenommen? Das bleibt im Vagen.

Nur ein paar Schlagworte gibt es: Die Beitrittsgespräche mit der Türkei will Weber stoppen, die Expansion chinesischer Unternehmen auch und die Rechtspopulisten sowieso. Amerikanische Internetriesen will er zur Kasse bitten, Alzheimer und Krebs den Kampf ansagen und die Bürokratie-Auswüchse der EU zurechtstutzen. Alles so konsensfähig, allgemein oder unverfänglich, dass es kaum Widerspruch bei irgendeinem seiner potentiellen Unterstützer hervorrufen dürfte.

Doch wer führen will, muss auch anecken können. Von der Politik des größten gemeinsamen Nenners hat die EU genug gehabt. Oft hat dieser sich als gar nicht so groß erwiesen. Wer die EU reformieren und sie zu einem schlagkräftigen Staatenbund machen will, der sich neben den USA und China behaupten kann, muss entschlossen vorangehen statt den Moderator geben. Sollte er seinen Traumjob tatsächlich bekommen, wird der nette Herr Weber erst mal beweisen müssen, dass er auch unbequem sein kann.

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Dominik Baur
Bayernkorrespondent
Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.
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